James Bond 03 - Moonraker (German Edition)
Nein. Sie befanden sich gute hundert Meter von der Anlage entfernt. Es hatte sich lediglich direkt über ihnen ein großes Stück Felsen aus der Klippe gelöst.
Dann dachte er an die unmittelbare Gefahr, in der sie schwebten. Gala stöhnte, und er konnte an seiner Brust ihren panischen Herzschlag spüren. Doch die gespenstisch weiße Maske ihres Gesichts war nun an der freien Luft, und er bewegte sich hin und her, um den Druck seines Körpers auf ihre Lunge und ihren Bauch zu erleichtern. Langsam und mit vor Anstrengung schmerzenden Muskeln arbeitete er sich unter dem Haufen aus Staub und Geröll Zentimeter für Zentimeter auf die Klippe zu, wo das Gewicht, wie er wusste, geringer sein würde.
Und dann war endlich seine Brust frei, und er konnte seinen Körper neben Gala in eine kniende Position winden. Von seinem aufgeschürften Rücken und den Armen tropfte Blut und vermischte sich mit dem Kalkstaub, der unablässig vom Rand des Lochs herunterrieselte, das er geschaffen hatte. Doch er konnte fühlen, dass keine Knochen gebrochen waren, und dank seiner wütenden Rettungsarbeit empfand er keinerlei Schmerz.
Schnaufend und hustend und ohne innezuhalten, um Luft zu holen, hievte er sie in eine sitzende Position und wischte Gala mit einer blutenden Hand etwas von dem Kalkstaub aus dem Gesicht. Dann befreite er seine Beine aus dem Grab aus Kalk, bugsierte das Mädchen irgendwie auf den Gipfel des Haufens und lehnte ihren Rücken gegen die Felswand.
Er kniete sich hin und betrachtete sie, die schreckliche weiße Vogelscheuche, die nur Minuten zuvor eins der schönsten Mädchen gewesen war, die er je gesehen hatte. Und als er sie ansah und die blutigen Schlieren wahrnahm, die über ihr Gesicht liefen, betete er, dass sie die Augen öffnen würde.
Als sie es Sekunden später tat, war die Erleichterung so groß, dass Bond sich schnell abwenden und heftig übergeben musste.
17
WILDE VERMUTUNGEN
Als der Krampf vorüber war, spürte er Galas Hand in seinem Haar. Er drehte sich um und sah, wie sie bei seinem Anblick zusammenzuckte. Sie zog an seinem Haar und deutete zu den Klippen hinauf. Im gleichen Moment rieselte neben ihnen ein Schauer aus kleinen Kalkstücken herab.
Er kämpfte sich erst schwach auf die Knie, dann auf die Füße. Gemeinsam schlitterten sie von dem Kalksteinberg herunter, fort von dem Krater an der Klippe, aus dem sie entkommen waren.
Der harte Sand unter ihren Füßen fühlte sich wie Samt an. Sie brachen beide der Länge nach zusammen und vergruben ihre schrecklich weißen Hände darin, als könnten die rauen goldenen Körnchen das schmutzige Weiß abwaschen. Dann musste sich auch Gala übergeben. Bond kroch ein paar Schritte von ihr weg, um ihr ein wenig Privatsphäre zu gewähren. Er zog sich an einem Kalkklumpen von der Größe eines Kleinwagens hoch, und nun konnten seine blutunterlaufenen Augen das ganze Ausmaß der Hölle ausmachen, die über sie hereingebrochen war und sie fast für immer unter sich begraben hätte.
Am Anfang der Felsen, die nun von der herannahenden Flut umspült wurden, lagen die Trümmer der Klippe verteilt, eine Lawine aus Kalkbrocken verschiedenster Formen. Der durch den Zusammenbruch verursachte weiße Staub bedeckte eine Fläche von gut viertausend Quadratmetern. Darüber in der Klippe befand sich nun ein gezackter Ausriss, und an der entfernten Spitze war dort, wo der Horizont zuvor fast als gerade Linie verlaufen war, ein Stück blauer Himmel herausgebissen. Es waren keine Seevögel mehr in der Nähe, und Bond vermutete, dass sie der Geruch der Katastrophe noch für einige Tage von diesem Ort fernhalten würde.
Dass sie noch lebten, verdankten sie allein die Tatsache, dass sie sich so nah an der Klippe aufgehalten hatten. Der Vorsprung am Fuß der Klippe, wo sich das Meer ins Felsgestein gefressen hatte, hatte ihnen ein geringes Maß an Schutz gewährt. Sie waren von kleineren Trümmern begraben worden. Die größeren Brocken, von denen sie jeder einzelne mit Leichtigkeit zerquetscht hätte, waren weiter vorne heruntergefallen. Der nächste von ihnen hatte sie um ein paar Meter verfehlt. Und ihre Nähe zur Klippe war auch der Grund dafür, warum Bonds rechter Arm einigermaßen frei gewesen war, sodass er sie aus dem Schutthaufen befreien konnte, bevor sie erstickt waren. Bond wurde klar, dass sie nun beide tot wären, wenn er sich nicht aus einem Reflex heraus auf Gala geworfen hätte, als die Lawine losging.
Er fühlte ihre Hand auf seiner Schulter. Ohne sie
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