James Bond 03 - Moonraker (German Edition)
die Regierung fähig zu sein scheint, ist es wirklich außergewöhnlich, dass man ihn noch nicht zum Premierminister gemacht hat.«
Bond sah, wie die kalten Augen noch etwas eisiger wurden, aber er war entschlossen, sich seine Bewunderung für Drax’ Leistungen von dem alten Knaben nicht verderben zu lassen. »Schließlich«, fuhr er fort, »sieht es so aus, als ob er dieses Land auf Jahre hinaus vor einem Krieg geschützt hat. Und er kann nicht viel älter als vierzig sein. Ich sehe ihn wie die meisten. Und dann ist da noch das Geheimnis um seine wahre Identität. Ich bin nicht weiter überrascht, dass ihn die Öffentlichkeit bedauert, auch wenn er ein Multimillionär ist. Er scheint trotz seines aufregenden Lebens einsam zu sein.«
M lächelte lakonisch. »Das alles klingt eher nach einer Vorschau für den
Express
-Artikel. Er ist auf jeden Fall ein außergewöhnlicher Mann. Aber wie sieht Ihre Version der Fakten aus? Ich nehme nicht an, dass ich mehr weiß als Sie. Wahrscheinlich sogar weniger. Ich lese nicht sehr aufmerksam Zeitung, und es gibt keine Akten über ihn außer im Kriegsministerium, und die sind nicht sehr erhellend. Also, wie lautet die Kernaussage des
Express
-Artikels?«
»Tut mir leid, Sir«, sagte Bond. »Aber die Fakten sind recht dünn.« Er sah erneut aus dem Fenster und konzentrierte sich. »Während des deutschen Vorstoßes in den Ardennen im Winter ’44, setzten die Deutschen eine Menge Partisanen und Saboteure ein. Sie gaben ihnen den ziemlich unheimlichen Namen Werwölfe. Sie richteten enorm viel Schaden an und waren sehr gut in Tarnung und allen möglichen Tricks. Einige von ihnen agierten, noch lange nachdem wir die Ardennen eingenommen und den Rhein überquert hatten. Sie sollten weitermachen, selbst nachdem wir das Land überrannt hatten. Aber als die Lage richtig ernst wurde, haben sie sich aus dem Staub gemacht.
Einer ihrer größten Coups bestand darin, das Hauptquartier einer amerikanisch-britischen Liaison in die Luft zu sprengen. Ich glaube, man nannte sie Verstärkungseinheiten. Es war eine Mischung aus allen möglichen alliierten Mitarbeitern – amerikanische Befehlsstäbe, britische Ambulanzfahrer – eine sich unaufhörlich verändernde Gruppe aus allen möglichen Einheiten. Den Werwölfen gelang es irgendwie, das Kasino zu verminen, und als es hochging, wurde ein ziemlich großer Teil des Feldlazaretts ebenfalls zerstört. Über einhundert Menschen wurden getötet oder verwundet. Muss die Hölle gewesen sein, die Überlebenden da herauszufischen. Einer von ihnen war Drax. Die Explosion hatte ihm sein halbes Gesicht weggesprengt. Er litt unter totaler Amnesie, die ein Jahr lang andauerte, und am Ende dieser Zeit hatte niemand, nicht einmal er selbst eine Ahnung, wer er war. Es gab etwa fünfundzwanzig unbekannte Leichen, die weder wir noch die Amerikaner identifizieren konnten. Entweder war nicht genug übrig, oder es handelte sich um Soldaten auf dem Weg nach Hause oder um Mitarbeiter ohne Autorisierung. So lief das in diesen Einheiten. Natürlich gab es zwei befehlshabende Offiziere, aber alles wurde sehr nachlässig gehandhabt. Auch die Aufzeichnungen. Nach einem Jahr in verschiedenen Krankenhäusern gingen sie mit Drax die Vermisstenliste des Kriegsministeriums durch. Als sie zu dem Namen eines gewissen Hugo Drax kamen, einer Waise ohne lebende Verwandte, die vor dem Krieg im Liverpooler Hafen gearbeitet hatte, zeigte er ein gewisses Interesse. Das Foto und die körperliche Beschreibung schienen mehr oder weniger damit übereinzustimmen, wie unser Mann vor der Explosion ausgesehen haben musste. Von diesem Zeitpunkt an war er auf dem Weg der Besserung. Er begann, ein wenig über einfache Dinge zu sprechen, an die er sich erinnerte, und die Ärzte waren sehr stolz auf ihn. Das Kriegsministerium fand einen Mann, der in der gleichen Pioniereinheit wie dieser Hugo Drax gedient hatte. Er kam ins Krankenhaus und beteuerte, dass es sich um Drax handele. Das gab den entscheidenden Ausschlag. Nachdem sich auf Zeitungsinserate kein anderer Hugo Drax meldete, wurde er 1945 mit diesem Namen entlassen und bekam eine Soldnachzahlung sowie eine volle Invalidenrente.«
»Aber er behauptet immer noch, dass er nicht weiß, wer er ist«, unterbrach ihn M. »Er ist Mitglied im Blades. Ich habe oft mit ihm Karten gespielt und mich danach beim Abendessen mit ihm unterhalten. Er sagt, dass er im Club manchmal ein starkes Gefühl von Déjà-vu hat. Außerdem fährt er häufig nach
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