James Bond 04 - Diamantenfieber (German Edition)
d’hôtel
kam regelmäßig vorbei, um zu sehen, ob alles in Ordnung war.
Pissaro sah aus wie ein Gangster aus einem Kriminalcomic. Er hatte einen runden blasenähnlichen Kopf, in dessen Mitte alles eng zusammenstand – zwei kleine Knopfaugen, zwei schwarze Nasenlöcher, ein verkniffener, feuchter pinkfarbener Mund über einem kaum sichtbaren Kinn –, und einen fetten Körper in einem braunen Anzug und einem weißen Hemd mit langem Spitzkragen und einer schokoladenbraunen Fliege. Er schenkte den Vorbereitungen für das erste Rennen keine Beachtung, sondern konzentrierte sich auf sein Essen. Gelegentlich warf er einen Blick auf den Teller seines Begleiters, als ob er den Arm über den Tisch ausstrecken und sich mit der Gabel etwas davon stibitzen wollte.
Rosy Budd war breit und wirkte hart. Er hatte das kantige, reglose Gesicht eines Pokerspielers, in dem tiefliegende blasse Augen unter dünnen, hellen Brauen saßen. Er trug einen gestreiften Seersucker-Anzug und eine dunkelblaue Krawatte. Er aß langsam und sah nur selten von seinem Teller auf. Als er fertig war, griff er nach einem Rennprogramm und studierte es, wobei er die Seiten vorsichtig umblätterte. Ohne aufzusehen, schüttelte er kurz den Kopf, als der
maître d’hôtel
ihm die Karte hinhielt.
Pissaro bearbeitete seine Zähne mit einem Zahnstocher, bis ein Berg Eiskrem gebracht wurde. Dann beugte er sich wieder vor und fing an, das Eis schnell in seinen kleinen Mund zu schaufeln.
Durch sein Fernglas betrachtete Bond die beiden Männer genau und machte sich Gedanken über sie. Was hatte es mit diesen Leuten auf sich? Bond erinnerte sich an kalte, gründliche, Schach spielende Russen; brillante, neurotische Deutsche; stille, tödliche, anonyme Männer aus Mitteleuropa; die Leute in seinem eigenen Geheimdienst – die ersten Doppelnullagenten, die fröhlichen Glücksritter, die Männer, die gerne bereit waren, ihr Leben für tausend Pfund pro Jahr zu riskieren. Verglichen mit solchen Männern waren diese Leute nur Teenagerfantasien, fand Bond.
Die Ergebnisse des dritten Rennens wurden angezeigt, und nun dauerte es nur noch eine halbe Stunde bis zum großen Ereignis. Bond legte sein Fernglas zur Seite und nahm sein Programm, während er darauf wartete, dass die riesige Anzeigetafel auf der anderen Seite der Rennbahn zu flackern anfing und die Chancen für die Wetten verkündete.
Er warf einen letzten Blick auf die Einzelheiten. »Zweiter Tag. 4. August«, hieß es im Programm. »Die Einsätze für das Rennen. Zusätzliche fünfundzwanzigtausend Dollar. 52. Rennen. Für Dreijährige. Meldegebühr fünfzig Dollar pro Kopf. Das Startgeld beträgt zusätzliche zweihundertfünfzig Dollar. Von den zusätzlichen fünfundzwanzigtausend Dollar gehen fünftausend an den Zweitplatzierten, zweitausendfünfhundert an den Drittplatzierten und eintausendzweihundertfünfzig an den Viertplatzierten. Der Besitzer des Gewinners erhält zudem eine Trophäe. Distanz: Eineinviertel Meilen.« Und dann folgten eine Liste der zwölf Pferde und ihrer Besitzer, Trainer und Jockeys sowie eine Chancenprognose der
Morning Line
.
Bei den beiden Favoriten – Nummer 1, Mr C. V. Whitneys Come Again und Nummer 3, Mr William Woodward Juniors Pray Action – standen die Chancen sechs zu vier. Mr P. Pissaros Shy Smile, Trainer: R. Budd, Jockey: T. Bell, ging mit einer Prognose von fünfzehn zu eins an den Start und war damit das schlechteste Pferd bei den Wetten. Seine Startnummer war die 10.
Bond wandte sich mit seinem Fernglas wieder in Richtung des Restaurants. Die beiden Männer waren verschwunden. Bonds Augen wanderten über die Rennbahn zu den aufblitzenden Lichtern auf der Anzeigetafel. Der Favorit war nun die Nummer 3 mit einer Chance von zwei zu eins. Come Again war ein Stück heruntergerutscht. Shy Smiles Chancen wurden jetzt mit zwanzig zu eins angegeben, doch sie stiegen auf achtzehn zu eins an, während Bond die Tafel beobachtete.
Noch eine weitere Viertelstunde, bis es losging. Bond lehnte sich zurück, zündete sich eine Zigarette an, ging im Geiste noch einmal das durch, was Leiter ihm erklärt hatte, und fragte sich, ob es funktionieren würde.
Leiter hatte den Jockey an diesem Morgen in seinem Gasthaus aufgesucht und ihm seine Privatdetektivlizenz vor die Nase gehalten. Und dann hatte er ihn in aller Ruhe erpresst, das Rennen zu vermasseln. Falls Shy Smile gewann, würde Leiter zur Rennleitung gehen und ihnen verraten, dass das Pferd ein Doppelgänger war, woraufhin
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