James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
konnte sie sonst noch sagen? Welche Antwort wollte diese Frau hören?
»Und wenn wir nun einmal davon ausgehen, meine Liebe, dass Sie nicht verliebt wären. Würde Ihnen der Liebesakt mit einem Mann dann trotzdem Freude bereiten?«
Tatjana schüttelte unentschlossen den Kopf. Sie nahm die Hände vom Gesicht und senkte den Kopf. Ihr Haar fiel auf beiden Seiten wie ein schwerer Vorhang herunter. Sie versuchte zu denken, hilfreich zu sein, doch sie konnte sich eine solche Situation einfach nicht vorstellen. Sie vermutete … »Ich vermute, es käme auf den Mann an, Genossin Oberst.«
»Das ist eine vernünftige Antwort, meine Liebe.« Rosa Klebb öffnete eine Schublade im Tisch. Sie nahm eine Fotografie heraus und schob sie über den Tisch zu dem Mädchen. »Wie wäre es zum Beispiel bei diesem Mann?«
Tatjana zog das Foto vorsichtig zu sich heran, als ob die Gefahr bestünde, dass es in Flammen aufgehen könnte. Sie warf einen misstrauischen Blick auf das gut aussehende, skrupellose Gesicht. Sie versuchte, es sich vorzustellen. »Das kann ich nicht sagen, Genossin Oberst. Er sieht gut aus. Vielleicht wenn er zärtlich wäre …« Sie schob das Foto nervös von sich weg.
»Nein, behalten Sie es, meine Liebe. Legen Sie es neben Ihr Bett und denken Sie an diesen Mann. Sie werden später mehr über ihn erfahren, wenn Sie sich Ihrer neuen Aufgabe widmen. Und nun«, die Augen hinter den viereckigen Brillengläsern funkelten, »würden Sie gerne wissen, worin diese neue Aufgabe besteht? Die Aufgabe, für die Sie aus allen Mädchen in ganz Russland ausgewählt wurden?«
»Ja, allerdings, Genossin Oberst«, erwiderte Tatjana und blickte gehorsam in das konzentrierte Gesicht, das nun auf sie gerichtet war, wie das eines Jagdhundes auf die Beute.
Die feuchten gummiartigen Lippen teilten sich verführerisch. »Sie wurden für eine einfache und angenehme Pflicht ausgewählt, Genossin Korporal – einen wahren Liebesdienst, wie man so schön sagt. Es geht darum, sich zu verlieben. Das ist alles. Sonst nichts. Sie müssen sich nur in diesen Mann verlieben.«
»Aber wer ist er? Ich kenne ihn ja nicht einmal.«
Rosa Klebbs Mund verzog sich amüsiert. Das würde dieser dummen kleinen Gans etwas zu denken geben.
»Er ist ein englischer Spion.«
»Bozhe moi!«
Tatjana schlug sich die Hand vor den Mund, sowohl aus Überraschung als auch vor Schreck darüber, dass sie vor der Beamtin Gottes Namen in den Mund genommen hatte. Sie saß stocksteif da und starrte Rosa Klebb mit weit aufgerissenen, leicht trunkenen Augen an.
»Ja«, sagte Rosa Klebb, die sich über die Wirkung ihrer Worte freute. »Er ist ein englischer Spion. Vielleicht der berühmteste von allen. Und von nun an sind Sie in ihn verliebt. Also gewöhnen Sie sich besser an den Gedanken. Und keine Albernheiten, Genossin. Wir müssen diese Sache ernst nehmen. Es handelt sich um eine wichtige Staatsangelegenheit, für die Sie als Werkzeug ausgewählt wurden. Also keinen Unfug, bitte. Und nun kommen wir zu einigen praktischen Einzelheiten.« Rosa Klebb hielt inne. Dann sagte sie streng: »Und nehmen Sie Ihre Hand von Ihrem dummen Gesicht. Und hören Sie auf, wie eine verschreckte Kuh zu gucken. Setzen Sie sich richtig hin und passen Sie auf. Sonst werden Sie es bereuen. Verstanden?«
»Ja, Genossin Oberst.« Tatjana drückte schnell ihren Rücken durch und setzte sich mit den Händen im Schoß aufrecht hin, als ob sie wieder in der Schule für Sicherheitsbeamte wäre. In ihrem Kopf arbeitete es, aber jetzt war keine Zeit für persönliche Probleme. Ihre gesamte Ausbildung sagte ihr, dass es hier um eine Operation für den Staat ging. Sie arbeitete nun für ihr Land. Irgendwie war sie für eine wichtige
konspiratsia
ausgewählt worden. Als Beamtin beim MGB musste sie ihre Pflicht tun, und zwar ordentlich. Sie hörte sorgfältig und mit ihrer ganzen professionellen Aufmerksamkeit zu.
»Für den Moment«, erklärte Rosa Klebb in ihrer offiziellen Stimme, »werde ich mich kurz fassen. Sie werden später mehr erfahren. In den nächsten paar Wochen wird man Sie sehr gründlich auf diese Operation vorbereiten, bis Sie in jeder Situation genau wissen, wie Sie handeln müssen. Man wird Ihnen einige fremde Bräuche beibringen. Sie werden wunderschöne Kleidung erhalten. Man wird Sie in der Kunst der Verführung unterrichten. Dann wird man Sie in ein fremdes Land schicken, irgendwo in Europa. Dort werden Sie diesem Mann begegnen. Sie werden ihn verführen. Sie werden in dieser
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