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James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)

James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)

Titel: James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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Ende zu gehen, und wenn die sanfte Stimme Frieden versprach, gewann sie fast immer, denn irgendwie erkannte Rosa Klebb nach einem Blick in die Augen den Moment, in dem der Erwachsene gebrochen worden war und sich in ein Kind verwandelt hatte, das nach seiner Mutter schrie. Und sie stellte diese Mutterfigur dar und erweichte den Geist, den die barschen Worte eines Mannes nur verhärtet hätten.
    Dann, nachdem ein weiterer Verdächtiger gebrochen worden war, ging Rosa Klebb mit ihrem Campinghocker durch den Korridor zurück, zog ihren frisch beschmutzten Kittel aus und widmete sich wieder ihrer Arbeit. Anschließend verbreitete sich die Nachricht, dass alles vorüber war, und im Keller stellte sich nach und nach wieder Normalität ein.
    Tatjana, seit einer Weile in Gedanken erstarrt, sah erneut auf ihre Uhr. Noch vier Minuten. Sie strich ihre Uniform glatt und schaute noch einmal auf ihr blasses Gesicht im Spiegel. Dann drehte sie sich um und verabschiedete sich von dem lieb gewonnenen, vertrauten kleinen Zimmer. Würde sie es jemals wiedersehen?
    Sie ging geradeaus durch den langen Flur und drückte auf den Knopf für den Fahrstuhl.
    Als er kam, drückte sie ihre Schultern durch, hob ihr Kinn und betrat die Kabine, als ob sie das Podest der Guillotine wäre.
    »Acht«, sagte sie zur Fahrstuhlführerin. Sie stand da und starrte die Türen an. In ihrem Inneren wiederholte sie unablässig die Worte, die sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gehört hatte: »Mein Gott … Mein Gott … Mein Gott.«

EIN LIEBESDIENST
    Vor der anonymen cremefarbenen Tür konnte Tatjana bereits das Innere des Zimmers riechen. Als die Stimme sie knapp aufforderte, einzutreten, und sie die Tür öffnete, erfüllte der Geruch all ihre Sinne, während sie dastand und in die Augen der Frau starrte, die an dem runden Tisch unter der Lampe in der Mitte des Raums saß.
    Es war der Geruch der Metro an einem heißen Abend – billiges Duftwasser, das Tiergestank überlagerte. Die Menschen in Russland parfümierten sich generell von oben bis unten ein, ob sie nun vorher gebadet hatten oder nicht, meistens jedoch, wenn Letzteres der Fall war. Und sofern der Regen oder der Schnee nicht zu heftig waren, gingen gesunde, reinliche Mädchen wie Tatjana immer zu Fuß vom Büro nach Hause, damit sie den Gestank in den Zügen und in der Metro meiden konnten.
    Nun war Tatjana von allen Seiten von diesem Geruch umgeben. Ihre Nasenflügel zuckten vor Ekel.
    Es waren ihr Ekel und ihr Abscheu für eine Person, die inmitten eines solchen Gestanks leben konnte, die ihr halfen in die gelblichen Augen hinabzuschauen, die sie durch die viereckigen Brillengläser anstarrten. Sie konnte nichts darin lesen. Es waren empfangende Augen, keine gebenden. Sie wanderten langsam wie Kameralinsen über sie hinweg und nahmen sie in sich auf.
    Dann sprach Frau Oberst Klebb: »Sie sind ein gut aussehendes Mädchen, Genossin Korporal. Gehen Sie einmal quer durch den Raum und wieder zurück.«
    Was sollten diese zuckersüßen Worte? Eine neue Angst ließ sie ganz starr werden, die Angst vor den berüchtigten persönlichen Angewohnheiten dieser Frau, doch Tatjana tat, was sie verlangte.
    »Ziehen Sie Ihre Jacke aus. Legen Sie sie auf den Stuhl. Heben Sie Ihre Hände über Ihren Kopf. Höher. Jetzt beugen Sie sich vor und berühren Ihre Zehen. Aufrichten. Gut. Setzen Sie sich.« Die Frau sprach wie eine Ärztin. Sie deutete auf den Stuhl der ihr gegenüber vor dem Tisch stand. Ihre starrenden, forschenden Augen senkten sich und betrachteten die Akte auf dem Tisch.
    Das muss meine
zapiska
sein, dachte Tatjana. Wie interessant es war, den Gegenstand, der ihr ganzes Leben enthielt, wahrhaftig vor sich zu sehen. Wie dick sie war – fast zweieinhalb Zentimeter. Was mochte auf all diesen Seiten stehen? Sie starrte mit großen, faszinierten Augen auf die offene Aktenmappe.
    Frau Oberst Klebb blätterte durch die letzten Seiten und klappte die Akte dann zu. Der Deckel der Mappe war orange und mit einem diagonal verlaufenden schwarzen Streifen versehen. Was bedeuteten diese Farben?
    Die Frau sah auf. Irgendwie gelang es Tatjana, ihren Blick tapfer zu erwidern.
    »Genossin Korporal Romanowa.« Es war die Stimme der Autorität, die Stimme eines hohen Offiziers. »Mir liegen gute Berichte über Ihre Arbeit vor. Ihre Akte ist ausgezeichnet, sowohl in Bezug auf Ihren Dienst als auch in Bezug auf Ihre sportlichen Leistungen. Der Staat ist sehr zufrieden mit Ihnen.«
    Tatjana konnte ihren Ohren nicht

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