James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
Klebb hatte ihre Brille abgenommen, und ihr nacktes Gesicht war nun dick mit Wimperntusche, Rouge und Lippenstift beschmiert.
Sie sah aus wie die älteste und hässlichste Hure der Welt.
»Es ist sehr hübsch«, stammelte Tatjana.
»Nicht wahr?«, gurrte die Frau. Sie ging zu einer breiten Couch in der Ecke des Raums. Sie war mit kreischend buntem Stoff überzogen. An der Rückenlehne lagen recht schmuddelige Satinkissen in Pastellfarben.
Mit einem freudigen Glucksen warf sich Rosa Klebb auf die Couch und wirkte wie die Karikatur der berühmten Pose, in der Julie Récamier einst auf dem Sitzmöbel verewigt worden war, das ihr seinen Namen verdankte. Sie streckte einen Arm nach oben und schaltete eine Tischlampe mit einem pinkfarbenen Lampenschirm an, deren Unterteil aus nachgemachtem Lalique-Glas eine nackte Frau darstellte. Sie tätschelte eine Stelle auf der Couch neben sich.
»Schalten Sie das Deckenlicht aus, meine Liebe. Der Schalter ist neben der Tür. Dann kommen Sie her und setzen sich zu mir. Wir müssen einander besser kennenlernen.«
Tatjana ging zur Tür. Sie schaltete das Deckenlicht aus. Ihre Hand wanderte entschlossen zur Türklinke. Sie drückte sie herunter, öffnete die Tür und trat ruhig in den Flur hinaus. Plötzlich verlor sie die Nerven. Sie schlug die Tür hinter sich zu und rannte panisch durch den Gang, wobei sie sich die Hände auf die Ohren presste, um sich vor dem sie verfolgenden Schrei zu schützen, der niemals kam.
DIE LUNTE BRENNT
Es war der Morgen des nächsten Tages.
Frau Oberst Klebb saß an ihrem Schreibtisch in dem geräumigen Büro, das ihr in den unterirdischen Kellern von SMERSCH als Hauptquartier diente. Es war eher ein Einsatzzimmer als ein Büro. Eine Wand war komplett mit einer Karte der westlichen Hemisphäre bedeckt. An der gegenüberliegenden Wand hing eine Karte der östlichen Hemisphäre. Hinter ihrem Schreibtisch und in Reichweite ihrer linken Hand spuckte ein Telekrypton hin und wieder eine unverschlüsselte Meldung aus, die es von einem anderen Apparat in der Chiffrierabteilung unter den hohen Funkmasten auf dem Dach des Gebäudes erhielt. Von Zeit zu Zeit, wenn Frau Oberst Klebb daran dachte, riss sie den immer länger werdenden Papierstreifen ab und las sich die Meldungen durch. Das war eine Formalität. Wenn irgendetwas Wichtiges passiert wäre, hätte ihr Telefon geklingelt. Jeder Agent von SMERSCH auf der ganzen Welt wurde über diesen Raum kontrolliert, und es war eine wachsame und eiserne Kontrolle.
Das schwere Gesicht wirkte mürrisch und verbraucht. Die Tränensäcke unter den Augen waren geschwollen und die Augäpfel von roten Adern durchzogen.
Eines der drei Telefone neben ihr brummte leise. Sie nahm den Hörer ab. »Schicken Sie ihn rein.«
Sie wandte sich an Kronsteen, der direkt unter der südlichen Spitze Afrikas auf einem Lehnstuhl vor der linken Wand saß und mit einer verbogenen Büroklammer vorsichtig zwischen seinen Zähnen herumstocherte.
»Granitski.«
Kronsteen drehte langsam seinen Kopf und schaute zur Tür.
Red Grant kam herein und schloss die Tür leise hinter sich. Er ging zum Schreibtisch und starrte folgsam, fast schon hungrig in die Augen seiner Befehlshaberin hinunter. Kronsteen fand, dass er wie eine gewaltige Dogge aussah, die darauf wartete, gefüttert zu werden.
Rosa Klebb betrachtete ihn kalt. »Sind Sie in Form und bereit für die Arbeit?«
»Ja, Genossin Oberst.«
»Lassen Sie sich mal ansehen. Ziehen Sie Ihre Sachen aus.«
Red Grant zeigte keinerlei Überraschung. Er schlüpfte aus seinem Jackett, und nachdem er vergeblich nach einem Ort gesucht hatte, um es aufzuhängen, ließ er es einfach auf den Boden fallen. Dann zog er unbefangen den Rest seiner Kleidung sowie seine Schuhe aus. Der große rotbraune Körper mit dem goldenen Haar erhellte den tristen Raum. Grant stand entspannt da, ließ die Hände locker an den Seiten seines Körpers herunterhängen und hatte ein Knie leicht nach vorn gebeugt, als ob er für eine Klasse Kunstschüler posieren würde.
Rosa Klebb erhob sich und kam um den Schreibtisch herum. Sie musterte den Körper genauestens, drückte hier und tastete da, als ob sie ein Pferd kaufen würde. Dann trat sie hinter den Mann und fuhr mit ihrer gründlichen Begutachtung fort. Bevor sie wieder zu seiner Vorderseite ging, sah Kronsteen, wie sie etwas aus ihrer Jackentasche nahm und es in ihrer Hand verbarg. Für einen kurzen Augenblick blitzte Metall auf.
Die Frau ging herum und stellte sich
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