James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
Also gut. Und Sie müssen mit ein paar gegrillten Sardinen
en papilotte
beginnen. Die sind ganz genießbar.« Der Kellner ließ den Wortschwall des großen Mannes über sich ergehen. Dann lehnte sich Kerim zurück und lächelte Bond an. »Das ist die einzige Art, mit diesen Leuten umzugehen. Sie lieben es, beschimpft und getreten zu werden. Etwas anderes verstehen sie nicht. Es liegt ihnen im Blut. Diese ständige Vorspiegelung von Demokratie bringt sie um. Arme Grobiane in ihren gestreiften Anzügen und Melonen. Sie sind erbärmlich. Man muss sie nur ansehen. Aber zur Hölle mit ihnen allen. Irgendwelche Neuigkeiten?«
Bond schüttelte den Kopf. Er erzählte Kerim von seiner Umquartierung und dem unberührten Koffer.
Kerim leerte ein Glas Raki und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Er wiederholte, was Bond auch schon in den Sinn gekommen war: »Tja, das Spiel muss schließlich irgendwo beginnen. Ich habe gewisse kleine Schritte eingeleitet. Jetzt können wir nur noch abwarten. Wir werden nach dem Mittagessen einen kleinen Abstecher in feindliches Territorium machen. Ich denke, das wird Sie interessieren. Oh, man wird uns nicht entdecken. Wir werden uns im Schatten bewegen, im Untergrund.« Kerim lachte entzückt über seine Raffiniertheit. »Und nun lassen Sie uns über andere Dinge sprechen. Wie gefällt es Ihnen in der Türkei? Nein, ich will es gar nicht wissen. Was sonst?«
Sie wurden von der Ankunft ihres ersten Gangs unterbrochen. Bonds Sardinen
en papilotte
schmeckten nicht anders als übliche gegrillte Sardinen. Kerim machte sich über einen großen Teller mit etwas, das wie rohe Fischstreifen aussah, her. Er bemerkte Bonds interessierten Blick. »Roher Fisch«, erklärte er. »Danach esse ich noch rohes Fleisch und Salat und zum Abschluss eine Schüssel Joghurt. Ich bin kein besonderer Liebhaber dieser Speisen, aber ich wollte mal Kraftsportler werden. Das ist in der Türkei ein guter Beruf. Die Öffentlichkeit liebt sie. Und mein Trainer bestand darauf, dass ich nur rohes Essen zu mir nehme. Es ist zur Gewohnheit geworden. Es ist gut für mich, aber«, er schwenkte seine Gabel, »ich tue nicht so, als wäre es für jeden gut. Es ist mir ganz egal, was andere Leute essen oder trinken, solange es ihnen schmeckt. Ich kann traurige Esser und Trinker nicht ausstehen.«
»Warum haben Sie sich gegen eine Karriere als Kraftsportler entschieden? Wie sind Sie in diesen Berufszweig geraten?«
Kerim spießte mit seiner Gabel ein Stück Fisch auf und zerkaute es. Dann trank er das Glas Raki zur Hälfte aus. Er zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich zurück. »Nun«, sagte er mit einem mürrischen Gesichtsausdruck. »Über mich zu reden ist ein ebenso gutes Thema wie jedes andere. Und Sie möchten bestimmt wissen: ‚Wie hat es dieser große, verrückte Kerl in den Geheimdienst geschafft?‘ Ich werde es Ihnen erzählen, aber nur die Kurzfassung, denn es ist eine lange Geschichte. Sie sagen Bescheid, wenn Sie anfangen, sich zu langweilen. In Ordnung?«
»Gern.« Bond zündete sich eine Diplomat an. Dann stützte er sich auf seinen Ellbogen auf.
»Ich komme aus Trabzon.« Kerim beobachtete, wie sich der Rauch seiner Zigarette nach oben kräuselte. »Wir waren eine große Familie mit vielen Müttern. Mein Vater war die Art Mann, dem die Frauen nicht widerstehen können. Im Grunde wollen sie alle erobert werden. In ihren Träumen sehnen sie sich danach, über die Schulter eines Mannes geworfen, in seine Höhle verschleppt und vergewaltigt zu werden. So ist er mit ihnen umgegangen. Mein Vater war ein großartiger Fischer, und sein Ruf war am ganzen Schwarzen Meer verbreitet. Er war hinter Schwertfischen her. Sie sind schwer zu fangen und wehren sich vehement, doch er konnte am besten mit ihnen umgehen. Frauen wollen, dass ihre Männer Helden sind. Und in dieser Ecke der Türkei, wo die Männer traditionellerweise hart sind, war er eine Art Held. Er war ein großer, romantischer Kerl. Also konnte er jede Frau haben, die er wollte. Und er wollte sie alle und tötete manchmal sogar andere Männer, um sie zu bekommen. Natürlich hatte er viele Kinder. Wir lebten alle zusammengepfercht in einer großen, weitläufigen Ruine von einem Haus, das unsere ‚Tanten‘ bewohnbar gemacht hatten. Diese Tanten waren in Wirklichkeit eine Art Harem. Eine von ihnen war eine englische Gouvernante aus Istanbul, die meinen Vater während eines Zirkusbesuchs kennengelernt hatte. Er fand Gefallen an ihr und sie an
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