James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
gab vor, nichts zu verstehen. Ab und an stellte ich eine unschuldige Frage, und sie lachten über meine Dummheit und gaben mir die Antwort.«
Der zweite Gang kam mit einer Flasche Kavaklidere, einem schweren, primitiven Burgunder, wie alle Balkanweine. Der Kebab war gut und schmeckte nach geräuchertem Speck und Zwiebeln. Kerim aß eine Art Steak Tartare – einen großen flachen Hamburger aus fein gehacktem rohem Fleisch, gewürzt mit Paprika und Eigelb. Er ließ Bond davon probieren. Es war köstlich, was Bond auch sagte.
»Das sollten Sie jeden Tag essen«, sagte Kerim ernst. »Es ist für diejenigen gut, die viel Liebe machen wollen. Es gibt bestimmte Übungen, die Sie aus dem gleichen Grund machen sollten. Diese Dinge sind wichtig für Männer. Oder zumindest sind sie das für mich. Genau wie mein Vater habe ich viele Frauen. Aber anders als er trinke und rauche ich auch zu viel, und diese Dinge vertragen sich nicht gut mit dem Liebemachen. Genauso wenig wie diese Arbeit. Zu viel Anspannung und zu viel Nachdenken. Das treibt das Blut in den Kopf statt dorthin, wo es zum Liebemachen gebraucht wird. Aber ich bin gierig nach dem Leben. Ich mache immer von allem viel zu viel. Eines Tages wird mein Herz versagen. Die Eiserne Krabbe wird mich genau wie meinen Vater erwischen. Aber ich habe keine Angst vor ihr. Zumindest werde ich an einer ehrenhaften Krankheit sterben. Vielleicht wird man dann auf meinen Grabstein schreiben: ‚Dieser Mann starb, weil er zu viel gelebt hat.‘«
Bond lachte. »Treten Sie nicht zu früh ab, Darko. M wäre sehr ungehalten. Er hält große Stücke auf Sie.«
»Tut er das?« Kerim musterte Bonds Gesicht, um zu sehen, ob er die Wahrheit sagte. Er lachte erfreut. »In diesem Fall werde ich der Krabbe meinen Körper noch nicht überlassen.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Kommen Sie, James«, sagte er. »Es ist gut, dass Sie mich an meine Pflicht erinnert haben. Lassen Sie uns in meinem Büro Kaffee trinken. Wir haben keine Zeit zu vergeuden. Jeden Tag um halb drei halten die Russen ihren Kriegsrat ab. Heute werden Sie und ich ihnen dabei die Ehre unserer Anwesenheit erweisen.«
DER TUNNEL VOLLER RATTEN
Als sie zurück im kühlen Büro waren und auf den unvermeidlichen Kaffee warteten, öffnete Kerim einen Wandschrank und zog einige blaue Overalls heraus. Kerim zog sich bis auf die Unterhose aus und schlüpfte in einen der Schutzanzüge sowie in ein Paar Gummistiefel. Bond suchte sich ebenfalls einen Overall und Schuhe, die ihm einigermaßen passten, aus und zog sie an.
Mit dem Kaffee brachte der Bürovorsteher auch zwei leistungsstarke Taschenlampen, die er auf den Schreibtisch legte.
Als der Mitarbeiter das Büro verlassen hatte, sagte Kerim: »Das ist einer meiner Söhne – der älteste. Die anderen hier sind auch alle meine Kinder. Der Chauffeur und der Sicherheitsmann sind Onkel von mir. Blutsverwandtschaft ist die beste Sicherheitsmaßnahme. Und dieser Gewürzhandel ist eine gute Tarnung für uns. M hat das alles arrangiert. Er hat in London mit Freunden gesprochen. Und nun bin ich der führende Gewürzgroßhändler der Türkei. Ich habe M vor langer Zeit das Geld zurückgegeben, das er mir geliehen hatte. Meine Kinder sind Anteilseigner der Firma. Sie haben ein gutes Leben. Wenn Geheimdienstarbeit zu erledigen ist und ich dabei Hilfe brauche, wähle ich das Kind, das am besten dafür geeignet ist. Sie alle wurden auf verschiedenen Spezialgebieten ausgebildet. Sie sind schlau und mutig. Einige haben im Dienst für mich bereits ihr Leben gelassen. Sie alle würden für mich sterben – und für M. Ich habe ihnen beigebracht, dass er direkt nach Gott kommt.« Kerim winkte ab. »Aber das nur, damit Sie wissen, dass Sie sich in guten Händen befinden.«
»Ich habe nichts anderes gedacht.«
»Ha!«, erwiderte Kerim unverbindlich. Er nahm die Taschenlampen vom Schreibtisch und reichte Bond eine davon. »Und nun an die Arbeit.«
Kerim stellte sich vor ein breites Bücherregal und steckte seine Hand dahinter. Ein Klicken ertönte, und das Regal bewegte sich lautlos beiseite. Dahinter befand sich eine kleine Tür, die bündig mit der Wand abschloss. Kerim drückte gegen eine Seite der Tür, und sie schwang nach innen auf. Dahinter verbarg sich ein dunkler Tunnel mit Steinstufen, die nach unten führten. Ein nasskalter Geruch, vermischt mit einem leicht tierischen Gestank, schlug ihnen entgegen.
»Gehen Sie zuerst«, sagte Kerim. »Steigen Sie die Treppe hinunter und warten
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