James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
Griechenland mit der Spektor-Maschine im Gepäck verlassen und einen anderen Weg nach Hause nehmen. Aber wenn sich die Aussichten besserten, würde Bond es vorziehen, im Zug zu bleiben. Er und Kerim waren einfallsreiche Männer. Kerim hatte einen Agenten in Belgrad, der sich dort mit ihnen treffen würde. Und es gab immer noch die Botschaft.
Bonds Gedanken rasten weiter und wogen die Vor- und Nachteile ab. Jenseits seiner Vernunft hegte Bond den verrückten Wunsch, das Spiel bis zum Ende zu spielen und zu sehen, was dahintersteckte. Er wollte sich diesen Leuten stellen, das Rätsel lösen und die Verschwörung – sofern es sich um eine solche handelte – vereiteln. M hatte ihm die Verantwortung übertragen. Das Mädchen und die Maschine befanden sich in seiner Hand. Warum sollte er in Panik geraten?
Worüber
sollte er in Panik geraten? Es wäre Wahnsinn, davonzulaufen und vielleicht einer Falle zu entkommen, nur um in eine andere zu tappen.
Der Zug gab ein langes Pfeifen von sich und wurde langsamer.
Jetzt begann die erste Runde. Wenn Kerim versagte. Wenn die drei Männer im Zug blieben ...
Ein paar Güterwagen, die von einer schnaufenden Lok gezogen wurden, fuhren vorbei. Die Silhouette einiger Schuppen blitzte kurz auf. Mit einem Ruck und einem Kreischen der Kopplungen nahm der Orientexpress die Abzweigung an der Weiche und fuhr von der Hauptstrecke ab. Vor dem Fenster erschienen vier mit Gras bewachsene Schienenstränge, zusammen mit einem langen leeren Bahnsteig. Ein Hahn krähte. Der Expresszug verlangsamte auf Schrittgeschwindigkeit und kam schließlich mit einem hydraulischen Schnaufen der Bremsen und dem lauten Rauschen des abgelassenen Dampfs zum Stehen. Das Mädchen regte sich im Schlaf. Bond verlagerte ihren Kopf sanft auf das Kissen, stand auf und schlüpfte zur Tür hinaus.
Es handelte sich um einen typischen Bahnhof im Balkan – eine Fassade aus hässlichen Steingebäuden, ein staubiger Bahnsteig, der nicht etwa erhoben war, sondern eine Ebene mit dem Boden bildete, sodass man den Zug nur über eine lange Treppe verlassen konnte, ein paar scharrende Hühner und ein paar mürrische Beamte, die gelangweilt und unrasiert herumstanden und noch nicht einmal versuchten, wichtig auszusehen. Vor der billigen Hälfte des Zugs wartete eine plappernde Horde Bauern mit Bündeln und Weidenkörben auf die Zoll- und Passkontrolle, damit sie an Bord klettern und sich dem Pulk im Inneren des Zuges anschließen konnte.
Am anderen Ende des Bahnsteigs befand sich eine geschlossene Tür mit einem Schild darüber, auf dem POLIS stand. Durch das schmutzige Fenster neben der Tür glaubte Bond einen kurzen Blick auf Kerims Kopf und Schultern zu erhaschen.
»
Passeports. Douanes!
«
Ein Mann in Zivil und zwei Polizisten in dunkelgrünen Uniformen mit Pistolenholstern an den schwarzen Gürteln betraten den Gang. Der für den Waggon zuständige Schaffner ging vor ihnen her und klopfte an die Türen.
An der Tür von Abteil Nummer zwölf stieß der Schaffner einen empörten Wortschwall auf Türkisch aus, hielt den Stapel Fahrkarten und Pässe hoch und ging ihn durch, als würde es sich um ein Deck Spielkarten handeln. Als er damit fertig war, klopfte der Mann in Zivil, der die beiden Polizisten angewiesen hatte, sich bereitzuhalten, an die Tür, und als diese geöffnet wurde, trat er ein. Die beiden Polizisten hielten hinter ihm Wache. Bond schlich sich ein Stück durch den Gang. Er konnte ein paar Brocken gebrochenes Deutsch aufschnappen. Eine Stimme war kalt, die andere verängstigt und hitzig. Der Pass und die Fahrkarte von Herrn Kurt Goldfarb waren verschwunden. Hatte Herr Goldfarb sie aus der Schaffnerkabine entfernt? Natürlich nicht. Dann sei die Angelegenheit unerfreulich. Man werde eine Befragung durchführen müssen. Die deutsche Gesandtschaft in Istanbul werde die Sache klären (Bond lächelte angesichts dieses Vorschlags). In der Zwischenzeit könne Herr Goldfarb seine Reise bedauerlicherweise nicht fortsetzen. Zweifellos werde er morgen bereits weiterreisen können. Herr Goldfarb müsse sich anziehen. Sein Gepäck würde in den Wartesaal gebracht werden.
Der MGB-Agent, der in den Gang hinausstürmte, war ein dunkelhaariger Mann von kaukasischem Aussehen und der jüngste der »Besucher«. Sein bleiches Gesicht war vor Angst ganz grau. Sein Haar war zerzaust, und er trug lediglich eine Schlafanzughose. Doch seinem verzweifelten Marsch durch den Gang haftete nichts Komisches an. Er rauschte an Bond vorbei. An
Weitere Kostenlose Bücher