James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
namens
Nautilus
für Muschelsammler gibt. Ich hatte gerade genug Geld, um sie mir zu kaufen, und fing an, nach den Muscheln zu suchen, von denen die Leute in den Kleinanzeigen sagten, dass sie sie gerne hätten. Ich schrieb einen Händler in Miami an, und er fing an, mir meine Muscheln abzukaufen. Es war sehr aufregend. Natürlich machte ich am Anfang ein paar furchtbare Fehler. Ich dachte, die Leute würden die hübschesten Muscheln haben wollen, aber das stimmt nicht. Oft wollen sie die hässlichsten. Und als ich dann ein paar seltene fand, reinigte und polierte ich sie, damit sie besser aussahen. Das war ebenfalls falsch. Sie wollen die Muscheln genau so, wie sie aus dem Meer kommen, mit dem Tier darin und allem drum und dran. Also besorgte ich mir ein wenig Formalin vom Arzt und füllte es in die lebenden Muscheln, damit sie nicht zu stinken anfingen. Dann schickte ich sie zu diesem Mann in Miami. Ich habe erst vor einem Jahr verstanden, wie man es richtig macht, und habe trotzdem schon fünfzehn Dollar verdient. Ich dachte mir, da ich nun wusste, wie sie die Muscheln haben wollten, würde ich, wenn ich Glück hätte, mindestens fünfzehn Pfund pro Jahr verdienen. Dann würde ich in zehn Jahren in der Lage sein, nach Amerika zu reisen und mich der Operation zu unterziehen. Und dann«, sie kicherte fröhlich, »ereignete sich ein unglaublicher Glücksfall. Ich fuhr rüber nach Crab Key. Ich war schon öfter dort gewesen, aber dieses Mal kurz vor Weihnachten fand ich diese lila Muscheln. Sie sahen nicht besonders aufregend aus, aber ich schickte eine oder zwei davon nach Miami, und der Mann schrieb mir sofort zurück und teilte mir mit, dass er so viele davon nehmen würde, wie ich kriegen könnte, und mir für jede fünf Dollar bezahlen würde. Er meinte, ich müsse den Ort, an dem sie leben, absolut geheim halten, da wir ansonsten den ‚Markt verderben‘ würden, wie er es nannte, was wohl bedeutet, dass der Preis sinkt. Es ist so, als hätte ich meine eigene Goldmine. Nun wird es mir vielleicht gelingen, das nötige Geld schon in fünf Jahren zusammenzusparen. Deswegen war ich so misstrauisch, als du mich an meinem Strand entdeckt hast. Ich dachte, du wärst gekommen, um meine Muscheln zu stehlen.«
»Du hast mich ganz schön erschreckt. Ich dachte, du wärst Doktor Nos Freundin.«
»Na, schönen Dank auch.«
»Aber was willst du nach der Operation machen? Du kannst doch nicht dein ganzes Leben allein in einem Keller verbringen.«
»Ich dachte, ich werde vielleicht Callgirl.« Sie sagte es genauso selbstverständlich wie »Krankenschwester« oder »Sekretärin«.
»Oh … was meinst du damit?« Vielleicht hatte sie den Begriff irgendwo aufgeschnappt, ohne zu wissen, was er bedeutete.
»Na, das sind Frauen, die eine wunderschöne Wohnung und hübsche Kleidung haben. Du weißt doch bestimmt, was ich meine«, sagte sie ungeduldig. »Die Leute rufen sie an, kommen zu ihnen, machen Liebe mit ihnen und bezahlen sie. In New York bekommen sie dafür jedes Mal hundert Dollar. Ich dachte mir, dass ich so anfangen könnte. Natürlich«, räumte sie ein, »bekomme ich zuerst wahrscheinlich weniger Geld. Bis ich richtig gut darin geworden bin. Wie viel bezahlt man den Anfängerinnen?«
Bond lachte. »Ich kann mich wirklich nicht erinnern. Es ist eine ganze Weile her, seit ich mit einem Callgirl zu tun hatte.«
Sie seufzte. »Ja, du kannst wahrscheinlich so viele Frauen umsonst haben, wie du willst. Ich schätze, nur die hässlichen Männer bezahlen dafür. Aber dagegen kann man wohl nichts machen. Jede Art von Arbeit in der großen Stadt muss auch etwas Unangenehmes an sich haben. Wenigstens kann man als Callgirl gut verdienen. Danach kehre ich nach Jamaika zurück und kaufe Beau Desert. Wahrscheinlich bin ich dann reich genug, um einen Ehemann zu finden und ein paar Kinder zu bekommen. Jetzt, da ich diese Venusmuscheln gefunden habe, habe ich mir ausgerechnet, dass ich schon wieder auf Jamaika sein könnte, wenn ich dreißig bin. Wäre das nicht wundervoll?«
»Der letzte Teil des Plans gefällt mir. Beim ersten bin ich mir allerdings nicht so sicher. Woher hast du das mit den Callgirls überhaupt? Standen sie im Lexikon unter C?«
»Natürlich nicht. Sei nicht albern. Vor zwei Jahren gab es in New York mal einen großen Skandal. Es ging um diesen reichen Playboy namens Jelke, der einen Callgirl-Ring geleitet hat. Im
Gleaner
stand eine Menge über den Fall. Sie nannten die Preise und alles, was dazugehört.
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