James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
sturer Mann, und dümmer, als ich erwartet hatte. Diese Möglichkeiten sind mir bewusst. Ich habe einen dieser Männer zu meinem privaten Überwachungsapparat gemacht. Er besitzt Duplikate der Chiffren und der Chiffriermaschine. Er lebt in einem anderen Teil des Berges. Die anderen glauben, dass er gestorben ist. Er beobachtet sämtliche Routinen. Er liefert mir eine zweite Kopie des gesamten Funkverkehrs. Bisher habe ich in den Signalen aus Moskau keinerlei Hinweise auf eine Verschwörung gefunden. Ich denke pausenlos an diese Dinge, Mister Bond. Ich treffe Vorsichtsmaßnahmen und werde sie auch in Zukunft treffen. Wie ich schon sagte, Sie unterschätzen mich.«
»Ich unterschätze Sie keineswegs, Doktor No. Sie sind ein sehr vorsichtiger Mann, aber über Sie gibt es einfach zu viele Akten. In meiner Branche trifft das Gleiche auf mich zu. Ich kenne das Gefühl. Aber Sie haben ein paar wirklich üble. Die chinesische, zum Beispiel. Die hätte ich wirklich nicht gerne. Die FBI-Akte dürfte die harmloseste sein – Raub und falsche Identität. Aber kennen Sie die Russen so gut wie ich? Momentan sind Sie deren ‚bester Freund‘. Aber die Russen haben keine Partner. Sie werden Sie übernehmen wollen – Sie mit einer Kugel aufkaufen wollen. Und dann gibt es da noch die Akte, die mein Geheimdienst über Sie hat. Wollen Sie wirklich, dass ich die noch dicker mache? Wenn ich Sie wäre, würde ich das nicht riskieren, Doktor No. Meine Kollegen sind ein hartnäckiger Haufen. Falls mir und dem Mädchen irgendetwas zustößt, werden Sie schnell feststellen, dass Crab Key eine sehr kleine und schutzlose Insel ist.«
»Man kann nicht um hohe Einsätze spielen, ohne Risiken einzugehen, Mister Bond. Ich nehme die Gefahren in Kauf und habe mich, so gut es mir möglich ist, auf sie vorbereitet. Sehen Sie, Mister Bond«, in der tiefen Stimme lag ein Anflug von Gier, »ich stehe an der Schwelle zu sehr viel größeren Dingen. Das zweite Kapitel, das ich zuvor erwähnte, birgt das Versprechen auf Gewinne, die nur ein Narr ausschlagen würde, weil er sich fürchtet. Ich habe Ihnen erklärt, dass ich die Bahnen, auf denen diese Raketen fliegen, verbiegen kann, Mister Bond. Ich kann dafür sorgen, dass sie den Kurs ändern und ihre Funkkontrolle ignorieren. Was würden Sie sagen, Mister Bond, wenn ich noch weiter gehen könnte? Wenn ich sie ganz in der Nähe dieser Insel ins Meer stürzen lassen und die Geheimnisse ihrer Bauweise an mich raffen könnte? Momentan bergen amerikanische Zerstörer weit draußen im Südatlantik diese Raketen, wenn ihr Treibstoffvorrat erschöpft ist und sie an einem Fallschirm ins Meer segeln. Manchmal öffnen sich diese Fallschirme nicht. Manchmal funktioniert der Selbstzerstörungsmechanismus nicht. Niemand auf den Turks-Inseln wäre überrascht, wenn hin und wieder ein Prototyp einer neuen Serie seinen Flug abbrechen und in der Nähe von Crab Key abstürzen würde. Zumindest zu Anfang würde man das als mechanisches Versagen auslegen. Später würden sie dann vielleicht entdecken, dass ihre Raketen von fremden Funksignalen gesteuert wurden. Ein Störsendungskrieg würde entbrennen. Sie würden versuchen, den Ursprung der falschen Signale auszumachen. Sobald ich herausfände, dass sie nach mir suchen, würde ich ein letztes Mal eingreifen. Ihre Raketen würden verrücktspielen. Sie würden auf Havanna und Kingston stürzen. Sie würden umdrehen und auf Miami zusteuern. Selbst ohne Sprengköpfe können fünf Tonnen Metall, die mit über tausendfünfhundert Stundenkilometern auf einen Ort zurasen, in einer vollen Stadt jede Menge Schaden anrichten. Und was dann? Panik würde ausbrechen, es würde einen öffentlichen Aufschrei der Entrüstung geben. Die Experimente müssten eingestellt werden. Die Basis auf den Turks-Inseln würde schließen müssen. Und wie viel würde Russland bezahlen, um das zu erreichen, Mister Bond? Und wie viel würden sie für jeden Prototyp zahlen, den ich ihnen besorgen könnte? Sagen wir zehn Millionen Dollar für die gesamte Operation? Zwanzig Millionen? Es wäre ein unbezahlbarer Sieg im Wettrüsten. Ich könnte jede beliebige Summe verlangen. Denken Sie nicht auch, Mister Bond? Und stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, dass diese Überlegungen Ihre Argumente und Drohungen recht armselig wirken lassen?«
Bond erwiderte nichts. Es gab nichts, was er hätte sagen können. Im Geiste befand er sich plötzlich wieder in dem ruhigen Zimmer hoch über dem Regent’s Park. Er konnte
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