James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
hören, wie der Regen leise gegen das Fenster trommelte und vernahm Ms ungeduldige, sarkastische Stimme, die sagte: »Oh, irgend so ein Quatsch wegen einiger Vögel … Urlaub in der Sonne wird Ihnen guttun … Routineermittlung.« Und Bond hatte sich ein Kanu, einen Fischer und ein Picknickpaket besorgt und war losgezogen – vor wie vielen Tagen, vor wie vielen Wochen? –, um sich »die Sache mal anzusehen«. Tja, nun hatte er definitiv einen Blick in die Büchse der Pandora geworfen. Er hatte die Antworten gefunden, die Geheimnisse erfahren – und nun? Nun würde man ihm höflich den Weg zu seinem Grab weisen, in das er die Geheimnisse und das verwahrloste Mädchen mitnehmen würde, das er unterwegs aufgelesen und mit auf dieses verrückte Abenteuer geschleppt hatte. Die Verbitterung in Bond stieg ihm die Kehle hinauf, sodass er für einen Moment glaubte, würgen zu müssen. Er griff nach seinem Champagner und leerte das Glas. »Also gut, Doktor No«, sagte er barsch. »Lassen Sie uns diese Farce zu einem Ende bringen. Was sieht das Programm vor – ein Messer, eine Kugel, Gift, ein Seil? Hauptsache, es geht schnell, denn ich habe langsam genug von Ihnen.«
Doktor Nos Lippen wurden zu einer dünnen purpurnen Linie zusammengepresst. Die Augen unter der gewölbten Stirn wirkten hart wie Onyx. Die höfliche Maske war verschwunden. Auf dem Stuhl mit der hohen Lehne saß nun der Großinquisitor. Die Stunde für die Folter hatte geschlagen.
Doktor No sagte ein Wort, die beiden Wachen machten einen Schritt nach vorne und hielten die beiden Opfer über den Ellbogen fest, indem sie ihre Arme gegen die Seiten des Stuhls pressten. Es gab keinerlei Widerstand. Bond konzentrierte sich darauf, das Feuerzeug in seiner Achselhöhle zu halten. Die weiß behandschuhten Hände an seinem Bizeps fühlten sich wie Stahlseile an. Er lächelte dem Mädchen zu. »Das alles tut mir leid, Honey. Ich fürchte, wir werden nun doch nicht mehr miteinander spielen können.«
Das Mädchen war nach wie vor sehr blass, und ihre Augen schimmerten vor Angst blauschwarz. Ihre Lippen zitterten. »Wird es wehtun?«, fragte sie.
»Ruhe!« Doktor Nos Stimme war wie das Knallen einer Peitsche. »Schluss mit diesen Albernheiten. Natürlich wird es wehtun. Schmerz interessiert mich. Außerdem interessiert mich, herauszufinden, wie viel der menschliche Körper ertragen kann. Von Zeit zu Zeit führe ich Experimente an meinen Leute durch, wenn sie bestraft werden müssen. Und an Eindringlingen wie Ihnen. Sie beide haben mir eine Menge Ärger bereitet. Im Austausch dafür beabsichtige ich, Ihnen eine Menge Schmerz zuzufügen. Ich werde dokumentieren, wie lange Sie die Behandlung ertragen können, und die Fakten vermerken. Eines Tages werde ich der Welt meine Forschungsergebnisse zur Verfügung stellen. Ihr Tod wird der Wissenschaft einen großen Dienst erweisen. Ich verschwende nie menschliches Material. Die Experimente der Deutschen an lebenden Menschen während des Krieges haben der Wissenschaft großen Nutzen gebracht. Es ist jetzt ein Jahr her, seit ich ein Mädchen auf die Weise getötet habe, die ich auch für Sie ausgewählt habe, Miss Rider. Sie war eine Negerin. Sie hat drei Stunden ausgehalten. Sie starb vor Angst. Ich wollte ein weißes Mädchen zum Vergleich haben. Die Meldung Ihrer Ankunft hat mich nicht überrascht. Ich bekomme immer, was ich will.« Doktor No lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Seine Augen waren jetzt auf das Mädchen gerichtet, und er beobachtete ihre Reaktionen. Sie erwiderte sein Starren halb hypnotisiert, wie eine Maus, die vor einer Klapperschlange sitzt.
Bond biss die Zähne zusammen.
»Sie sind Jamaikanerin, also werden Sie wissen, wovon ich rede. Diese Insel heißt Crab Key. Sie trägt diesen Namen, weil sie von Landkrabben überlaufen ist – die Jamaikaner bezeichnen sie als ‚schwarze Krabben‘. Sie kennen sie. Sie wiegen jeweils etwa fünfhundert Gramm und sind so groß wie Untertassen. Zu dieser Zeit des Jahres kommen sie zu Tausenden aus ihren Löchern in der Nähe der Küste und klettern den Berg hoch. Dort im Korallenhochland verkriechen sie sich dann wieder in Löchern im Fels und legen ihre Eier ab. Manchmal marschieren sie den Berg in Armeen von mehreren Hundert Tieren hoch. Sie lassen sich von nichts und niemandem aufhalten. Auf Jamaika laufen sie sogar durch Häuser, die auf ihrem Weg liegen. Sie sind wie norwegische Lemminge. Es ist eine Massenwanderung.« Doktor No hielt inne. Dann sagte er
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