James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
Innenseite gab es keine Klinke. Bond versuchte gar nicht erst, sich mit der Schulter dagegen zu werfen. Er ging zu dem Stuhl, setzte sich auf den ordentlichen Stapel seiner Kleidung und schaute sich in der Zelle um. Die Wände waren vollkommen kahl, abgesehen von einem Belüftungsgitter aus dickem Draht in einer Ecke direkt unter der Decke. Es war breiter als seine Schultern. Offensichtlich war das der Weg nach draußen in den Hindernisparcours. Dann gab es noch eine Luke aus dickem Glas, nicht größer als Bonds Kopf, die sich direkt über der Tür befand. Durch dieses kleine Fenster fiel Licht aus dem Korridor in die Zelle. Sonst gab es nichts. Es hatte keinen Sinn, noch mehr Zeit zu verschwenden. Es dürfte jetzt etwa halb elf sein. Draußen würde irgendwo auf dem Berghang bereits das Mädchen liegen und auf den grauen Korallen auf das Klappern der Klauen warten. Bei dem Gedanken an den blassen Körper, der ausgestreckt und an Armen und Beinen gefesselt unter den Sternen lag, biss Bond die Zähne zusammen. Unvermittelt stand er auf. Warum zum Teufel saß er noch hier herum? Was auch immer auf der anderen Seite des Drahtgitters liegen mochte, es war Zeit, aufzubrechen.
Bond nahm das Messer und das Feuerzeug heraus und streifte den Kimono ab. Er zog die Hose und das Hemd an und verstaute das Feuerzeug in seiner Gesäßtasche. Er prüfte die Schneide des Messers mit seinem Daumen. Sie war sehr scharf. Es wäre noch besser, wenn es ihm gelingen würde, sie anzuspitzen. Er kniete sich auf den Boden und machte sich daran, die abgerundete Spitze am Stein zu schleifen. Nach einer wertvollen Viertelstunde war er mit dem Ergebnis zufrieden. Es war kein Stilett, aber nun konnte er damit sowohl zustechen als auch schneiden. Bond klemmte sich das Messer zwischen die Zähne, stellte den Stuhl unter das Gitter und stieg auf die Sitzfläche. Das Gitter! Angenommen, er konnte es aus der Halterung reißen, könnte sich der Rahmen aus dickem Draht zu einem Speer verbiegen lassen. Das würde ihm eine dritte Waffe verschaffen. Bond griff hinein.
Sofort verspürte er einen brennenden Schmerz, der seinen Arm hinaufwanderte, und sein Kopf landete krachend auf dem Steinboden. Er lag betäubt da, und nur die Erinnerung an einen blauen Blitz und das Zischen und Knistern von Elektrizität verriet ihm, was gerade geschehen war.
Bond rappelte sich auf die Knie auf und verharrte in dieser Position. Er neigte den Kopf nach vorn und schüttelte ihn langsam hin und her wie ein verwundetes Tier. Er bemerkte den Geruch von verbranntem Fleisch. Er hob seine rechte Hand vor die Augen. An der Innenseite seiner Finger befand sich der schmierige rote Streifen einer offenen Brandwunde. Der Anblick ließ den Schmerz in ihm aufwallen. Bond fluchte laut und kämpfte sich langsam auf die Beine. Er blinzelte zu dem Drahtgitter hoch, als ob es ihn erneut angreifen könnte wie eine Schlange. Mit zusammengebissenen Zähnen stellte er den Stuhl gegen die Wand. Dann nahm er sein Messer, schnitt einen Streifen Stoff aus dem Kimono und wickelte ihn fest um seine Finger. Schließlich stieg er wieder auf den Stuhl und betrachtete das Gitter. Er musste zweifellos da durch. Der Elektroschock hatte ihn nur auf den Schmerz vorbereiten sollen, der ihm noch bevorstand. Sicher hatte er einen Kurzschluss verursacht. Bestimmt hatten sie den Strom inzwischen abgeschaltet. Er sah es nur einen Augenblick lang an, dann wanderten die Finger seiner linken Hand direkt zu dem Drahtgitter hinauf. Seine Finger schoben sich durch die Löcher und griffen zu.
Nichts! Absolut nichts – nur Draht. Bond schnaubte. Er spürte, wie die Anspannung in seinen Nerven nachließ. Er zog am Draht. Er gab ein paar Zentimeter nach. Er zog erneut, und das Gitter löste sich von der Wand und baumelte an zwei flexiblen Kupferkabeln herunter, die in der Wand verschwanden. Bond löste das Gitter von den Kabeln und stieg vom Stuhl herunter. Ja, der Rahmen hatte eine Schweißstelle. Er machte sich daran, das Drahtgewirr aufzudröseln. Dann benutzte er den Stuhl als Hammer und begradigte den schweren Draht.
Nach zehn Minuten hatte Bond einen krummen Speer von gut einem Meter Länge. Das eine Ende war an der Stelle, an der das Material ursprünglich mit einer Zange abgeschnitten worden war, scharfkantig. Es würde zwar keine Kleidung durchdringen, aber für die Haut an Hals und Gesicht würde es ausreichen. Indem er all seine Kraft hineinlegte sowie den Spalt an der Unterkante der Metalltür nutzte, verbog
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