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James Bond 06 - Dr. No (German Edition)

James Bond 06 - Dr. No (German Edition)

Titel: James Bond 06 - Dr. No (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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Bond das stumpfe Ende zu einem klobigen Haken. Er maß den Draht an seinem Bein. Er war zu lang. Er bog ihn auf die Hälfte zusammen und schob den Speer in sein Hosenbein. Nun hing er vom Hosenbund bis knapp über sein Knie herunter. Er wandte sich wieder dem Stuhl zu, stieg erneut hinauf und griff nervös nach dem Rand des Lüftungsschachts. Er bekam keinen Elektroschock. Bond zog sich hoch und durch die Öffnung, sodass er schließlich auf dem Bauch lag und in den Schacht starrte.
    Der Schacht war etwa zehn Zentimeter breiter als Bonds Schultern. Er war rund und bestand aus poliertem Metall. Bond griff nach seinem Feuerzeug, dankte dem Impuls, der ihn dazu bewegt hatte, es einzustecken, und ließ die kleine Flamme auflodern. Ja, neu wirkendes Zinkblech. Der Schacht erstreckte sich geradeaus und war abgesehen von den Nähten an den Stellen, an denen die einzelnen Teile zusammentrafen, vollkommen glatt. Bond steckte das Feuerzeug zurück in seine Tasche und kroch los.
    Er kam gut voran. Kühle Luft aus dem Belüftungssystem blies Bond heftig ins Gesicht. Es roch nicht nach Meer – sondern nach der sterilen Luft, die aus einer Klimaanlage kam. Doktor No musste einen der Lüftungsschächte für diesen Zweck entsprechend angepasst haben. Welche Gefahren hatte er eingebaut, um seine Opfer zu testen? Sie würden raffiniert und schmerzhaft sein – entwickelt, um den Widerstand des Opfers zu verringern. Und kurz vor dem Ziel würde der Gnadenschuss fallen – falls das Opfer überhaupt so weit kam. Es würde etwas Endgültiges sein, etwas, wovor es kein Entkommen gab, denn bei diesem Wettlauf gab es keinen Preis zu gewinnen, abgesehen von dem Vergessen des Todes – ein Vergessen, dachte Bond, von dem er womöglich froh sein würde, es zu gewinnen. Es sei denn natürlich, Doktor No hatte sich für zu raffiniert gehalten. Es sei denn, er hatte Bonds Überlebenswillen unterschätzt. Das war, überlegte Bond, seine einzige Hoffnung – er musste versuchen, die Gefahren, die ihm unterwegs begegneten, zu überleben, damit er wenigstens bis zur letzten Prüfung vordringen konnte.
    Vor sich nahm er ein schwaches Leuchten wahr. Bond näherte sich vorsichtig und prüfend. Es wurde heller. An der Wand des abzweigenden Schachts reflektierte ein Lichtschimmer. Er kroch weiter, bis sein Kopf gegen das Metall stieß. Er drehte sich auf den Rücken. Direkt über ihm, am Ende eines etwa fünfundvierzig Meter langen senkrechten Schachts, war ein gleichmäßiges Schimmern. Es war, als würde man durch einen langen Pistolenlauf schauen. Bond zwängte sich um die Kurve und stellte sich aufrecht hin. Also sollte er diese glatte Metallröhre ohne jeglichen Halt hochklettern! War das möglich? Bond streckte seine Schultern in die Breite. Ja, sie berührten die Seiten. Seine Füße würden zumindest vorübergehend Halt finden, auch wenn sie an der glatten Wand schnell wieder abrutschen würden. Doch er konnte die Stellen nutzen, an denen sich die Nähte befanden, und sich so langsam nach oben vorarbeiten. Bond lockerte seine Schultern und zog seine Schuhe aus. Es brachte nichts, lange zu überlegen. Er würde es einfach versuchen müssen.
    Stück für Stück schob sich Bonds Körper durch den Schacht nach oben. Er schaffte immer fünfzehn Zentimeter, indem er seine Schultern streckte, damit sie die Seiten berührten, dann seine Füße hob, die Knie anzog und die Füße nach außen gegen das Metall drückte. Wenn seine Füße dann durch sein Gewicht nach unten rutschten, verkeilte er seine Schultern im Schacht und schob sie ein paar Zentimeter höher. Die gleiche Prozedur wiederholte er wieder und wieder und wieder und wieder. An jeder winzigen Erhebung, an der die einzelnen Teile der Röhre miteinander verbunden waren, hielt er inne und nutzte den zusätzlichen Millimeter Halt, um zu Atem zu kommen und die nächste Etappe abzuschätzen. Ansonsten schaute er nicht nach oben, sondern dachte nur an die Zentimeter, die er bereits einen nach dem anderen bezwungen hatte. Er durfte sich auch nicht um den Lichtschimmer kümmern, der nie heller wurde und auch nicht näher zu rücken schien. Ebenso wenig durfte er sich mit dem Gedanken beschäftigen, den Halt zu verlieren, herunterzufallen und sich am Boden des Schachts die Knöchel zu brechen. Er durfte sich nicht um Krämpfe, schmerzende Muskeln oder die anschwellenden Blutergüsse an seinen Schultern und Füßen kümmern. Er musste die silbernen Zentimeter einfach einen nach dem anderen

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