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James, Henry

James, Henry

Titel: James, Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benvolio
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täte gut daran, seine Aufmerksamkeit der Astronomie zuzuwenden! In seiner Antwort darauf kam er vielleicht (im Sinne der Gräfin) einem Antrag so nahe wie nie zuvor.

    « Meine Liebe», sagte er,«Sie ahnen ja nicht einmal, wie sehr ich Sie bewundere!»
    Daraufhin verließ sie ihren Platz und spazierte auf dem Rasen umher, sah Benvolio, während er sprach, von der Seite an und strich mit den Fingerspitzen über die geschlossenen Blütenblätter ihrer Blumen; ihr besticktes Kleid schleifte auf dem Gras. Er gab eine Art sentimentalen Treuebekenntnisses ab; er versicherte ihr, sie sei für ihn das Ideal einer bestimmten Art von Frau. Diese letzte Bemerkung ließ sie kurz innehalten und ihn mit großen Augen anstarren.«Oh, ich meine natürlich die beste Art», rief er,«die, die den größten Einfluss ausübt! Sie verkörpern die feine Welt und alles, was die feine Welt zu geben vermag, und Sie verkörpern sie zu ihrem größten Vorteil – in ihrer großzügigsten, ihrer anmutigsten, ihrer anregendsten Form. Sie würden sogar einen Revolutionär wieder mit der Gesellschaft aussöhnen. Sie sind die göttliche Personifikation all der Annehmlichkeiten, all der Eleganz, all der Vielschichtigkeit des Lebens! Sie sind die Blüte der Weltgewandtheit, der Kultur, der Tradition! Sie sind das Produkt so vieler Einflüsse, dass die Bekanntschaft mit Ihnen den Horizont eines Menschen erweitert; und in Ihrem Fall trifft auch zu, dass Sie zu bewundern
umfassend bildet! Ihr Charme ist unwiderstehlich; ich versichere Ihnen, ich vermag ihm nicht zu widerstehen!»
    Komplimente waren der Gräfin zuträglich, wie wir bestätigen können; sie machten sie nicht nur glücklicher, sie machten sie auch besser. Es wurde für sie eine Gewissensfrage, sie tatsächlich zu verdienen. Das hier waren wundervolle Komplimente, und sie ließen sie keineswegs unbeeindruckt. Ihre Wangen röteten sich ein wenig, ihre Augen leuchteten geheimnisvoll, und konnte man über ihre Schönheit im eigentlichen Sinne auch geteilter Meinung sein, so schien doch alles, was Benvolio über sie sagte, nie wahrer gewesen zu sein. Er sagte noch mehr in dieser Richtung, und sie hörte ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen. Aber dann wurde sie plötzlich ungeduldig, schien ihr dies denn doch eine recht wohlfeile Art des Werbens zu sein. Sie ließ sich ihre Ungeduld allerdings durch keinerlei Gereiztheit anmerken, sondern hob einfach kurz den Finger, um Benvolio Schweigen zu gebieten, und sagte dann in außerordentlich sanftem Ton:« Sie haben zu viel Phantasie!»Er erwiderte, um ihr wirklich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, habe er zu wenig. Darauf entgegnete sie, er spreche schon längst nicht mehr von ihr, er habe
sie weit hinter sich zurückgelassen. Er spinne Geschichten um irgendein überfeinertes Wesen, das seine Phantasie ersonnen habe. Die beste Antwort darauf schien Benvolio, ihre Hand zu ergreifen und zu küssen. Ich weiß nicht, was die Gräfin von dieser Art Argument hielt; ich neige zu der Annahme, dass sie darüber ebenso erfreut wie verärgert war; es war gleichzeitig zu viel und zu wenig. Sie entzog ihm ihre Hand und ging rasch ins Haus. Obwohl Benvolio ihr unverzüglich folgte, gelang es ihm nicht, sie einzuholen; sie zog sich in ihre Gemächer zurück und blieb für ihn trotz seiner Bemühungen, zu ihr vorzudringen, unerreichbar. Kurz darauf verließ sie die Stadt und begab sich auf ein Landgut, das sie in einem entfernten Teil des Landes besaß, um dort den Sommer zu verbringen.

III
    Benvolio war außerordentlich gern auf dem Land, doch er blieb in der Stadt, nachdem alle seine Freunde sie verlassen hatten. Viele nahmen ihm das Versprechen ab, dass er sie besuchen käme. Er sagte zu oder so gut wie zu; als er sich dann aber überlegte, dass er fast überall
ein Haus voller anderer Gäste vorfinden würde, deren Zeitvertreib er sich würde anschließen müssen, und dass er als Spielverderber und egoistisches Scheusal an den Pranger gestellt würde, sollte er sich mit einem geschätzten Duodezbändchen 6 in der Jackentasche davonstehlen, um den Vormittag allein im Wald zu verbringen, verspürte er keine große Lust mehr, Besuche zu machen. Er hatte, wie wir wissen, seine Phasen der Öffnung und des Rückzugs; in den letzten Monaten war er hart am Wind gesegelt, nun hatte er begonnen, die Segel einzuholen. Überdies vermute ich, dass der närrische Kerl gar kein Geld zum Reisen hatte. Er hatte erst jüngst sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Mittel in den

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