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James, Henry

James, Henry

Titel: James, Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benvolio
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sie umgaben, und sie sah in ihm ein Exemplar einer seltenen und bemerkenswerten Spezies. In früheren Zeiten hätte sie ihn zu ihrem Minnesänger oder ihrem Narren erkoren – es ist zu befürchten, dass der arme Benvolio in letzterer Rolle eine recht unglückliche
Figur abgegeben hätte; heutzutage konnte eine Frau, die aufgrund ihrer eigenen gesellschaftlichen Stellung eine bedeutende Persönlichkeit war, einem solchen Mann in ihrer Entourage einen Platz als illustrem Gatten zuweisen. Ich weiß nicht, wie gut die Gräfin so etwas zu beurteilen vermochte, doch sie war überzeugt, die Welt werde von Benvolio noch hören. Sie war schön und von vornehmer Herkunft, sie verfügte über Geld und Luxus, aber an Genialität mangelte es ihr; und wenn Genialität zu haben war, warum sollte man sie sich dann nicht sichern und die Liste vervollständigen? Dies ist zweifellos eine recht grobe Zusammenfassung der Argumentation der Gräfin, aber Sie erhalten sie gleichsam als kostenlose Zugabe, denn unbedingt erwähnen muss ich nur, dass diese bezaubernde junge Frau Gefallen an diesem gescheiten jungen Mann fand und dass sie bisweilen eine Viertelminute zu weinen pflegte, wenn sie sich vorstellte, es läge ihm nichts an ihr. Ihre Tränen waren vergeudet, denn es lag ihm sehr wohl etwas an ihr – sogar mehr, als sie sich im günstigsten Fall vorgestellt hätte. Doch Benvolio war, ich kann es gar nicht oft genug wiederholen, ein außerordentlich vielschichtiger Charakter, und die Logik seines Verhaltens wies gar manchen
Bruch auf. Die Gräfin bezauberte ihn, erregte ihn, interessierte ihn; er ließ ihr durchaus Gerechtigkeit widerfahren – mehr als Gerechtigkeit, doch zu guter Letzt spürte er, dass sie ihm nicht genügte. Wäre es einem Mann gestattet, ein halbes Dutzend Ehefrauen zu haben – und Benvolio hatte das, in einem Gedicht, einmal für sich gefordert –, könnte die Gräfin durchaus eine von ihnen sein – vielleicht sogar die beste. Aber sie wäre nicht für jeden Zeitpunkt und jede Stimmung die Richtige; sie bedurfte einer Ergänzung, einer Alternative – bedurfte dessen, was die Franzosen als repoussoir 5 bezeichnen.
    Eines Tages war er auf dem Weg zu ihr, wohl wissend, dass er erwartet wurde. Außer ihm sollten sich noch eine Reihe anderer Leute einfinden – ja, eine brillante Gesellschaft würde bei der Gräfin versammelt sein; doch Benvolio wusste, eine bestimmte Berührung der Hand, ein bestimmter Blick, ein bestimmter liebkosender Ton in der Stimme wären allein für ihn gedacht. Glücklicher Benvolio, werden Sie sagen, mit so zauberhaften Geheimnissen in seinem jungen Herzen durch die Welt zu gehen! Glücklicher Benvolio, in der Tat; doch hören Sie, wie leichtfertig er mit seinem Glück spielte. Er ging bis zum Tor des gräflichen Anwesens, aber er ging
nicht weiter; er hielt an, blieb einen Augenblick stehen, runzelte heftig die Stirn und kaute nervös an einem Finger seines Handschuhs; dann drehte er sich abrupt um und entfernte sich in die entgegengesetzte Richtung. Er lief und lief und ließ die Stadt hinter sich. Er lief immer weiter, bis er aufs Land kam; dort lenkte er seine Schritte einem Wäldchen zu, das er sehr gut kannte und das er an einem Frühlingsnachmittag sogar einmal mit der Gräfin zusammen aufgesucht hatte, als diese unbedingt ein Schäferstündchen mit ihm hatte verbringen wollen. Am Waldesrand warf er sich ins Gras – wenn auch nicht genau an der Stelle, wo er der Gräfin zu Füßen gelegen, Sonette aus seiner Tasche gezogen und ihr eines nach dem anderen vorgelesen hatte. Neben ihm plätscherte ein kleiner Bach; ihm gegenüber ging die Sonne allmählich unter; vor ihm lag die ferne Stadt, die ihre Türme und Kamine in den sich rot färbenden westlichen Himmel reckte. Die Dämmerung brach herein und wich nach und nach der Dunkelheit, und die Sterne zeigten sich am Himmel. Benvolio lag da und dachte darüber nach, dass er sie den Wachskerzen der Gräfin vorzog. Er kehrte auf einem Bauernfuhrwerk in die Stadt zurück und unterhielt sich mit dem redlichen Landmann, der es lenkte.

    Auf ganz ähnliche Weise hatte er jedes Mal, wenn er im Begriff gewesen war, an das Tor zum Herzen der Gräfin zu klopfen und mit glühenden Worten um Einlass zu bitten, innegehalten, die Stirn gerunzelt, sich dann abrupt umgedreht und die Einsamkeit gesucht. Sie erfuhr nie, wie nahe er dem zwei-, dreimal gewesen war. Zwei-, dreimal hatte sie ihm vorgeworfen, unhöflich zu sein, was nichts anderes gewesen

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