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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sei und EEGs bei Psychotikern nicht beweiskräftig wären. Da im Übrigen der Patient inzwischen Medikamente erhielte, wäre eine solche Untersuchung völlig unbrauchbar. Er dankte Mainwaring für seine Hinzuziehung und verabschiedete sich aus dem Fall.
    Im folgenden Schreiben bedankte sich Mainwaring bei dem Radiologen für seine Bemühungen, stimmte seinen Feststellungen und Empfehlungen zu und führte aus, dass, »bei dem ernst zu nehmenden psychotischen Zustand des Patienten, einer unverzüglichen chemotherapeutischen Behandlung Priorität vor einem Enzephalogramm eingeräumt werden müsse«.
    Nach diesem Briefwechsel wurden die Aufzeichnungen unregelmäßiger. Mainwaring hatte Jamey ein- oder zweimal täglich aufgesucht, die Ergebnisse dieser Visiten waren aber nicht festgehalten worden. Er hatte sich nur kurze Notizen gemacht, wie »Patient stabil, keine Veränderungen« oder »zunehmende halluzinatorische Aktivitäten« sowie über die Dosierung der Medikamente. Beim Weiterlesen erfuhr ich, dass Jamey auf die Arzneien unterschiedlich reagiert hatte und die Dosierungen häufig geändert werden mussten.
    Nach seiner Aufnahme schien der Junge hervorragend auf Thorazin zu reagieren. Die psychotischen Symptome schwächten sich in Schwere und Häufigkeit ab, und zweimal berichtete Mainwaring, dass ein kurzes Gespräch mit dem Patienten möglich gewesen sei, obwohl er nicht im Einzelnen ausführte, worüber sie gesprochen hatten. Bald darauf hatte es jedoch einen akuten Rückfall gegeben. Jamey war in äußerste Erregungszustände geraten und hatte wild um sich geschlagen. Mainwaring erhöhte die Dosis. Als der Zustand des Jungen sich daraufhin verschlechterte, erhöhte er sie ständig weiter, um die für »einen optimalen Zustand erforderliche Dosierung« herauszubekommen.
    Bei eintausendvierhundert Milligramm Thorazin täglich stellte sich eine Periode der Besserung ein, obwohl der Patient bei dieser starken Medikation teilnahmslos und schläfrig war. Der Erfolg wurde allein daran gemessen, dass er nicht mehr gewalttätig war. Es folgte ein weiterer plötzlicher Rückfall. Dieses Mal waren die Halluzinationen »ausgeprägter« als je zuvor, und die Aggressivität des Patienten machte seine ständige Fesselung erforderlich. Mainwaring setzte das Thorazin ab und verordnete andere phenothiazinhaltige Beruhigungsmittel wie Haloperidol, Thioridazin, Fluphenazin. Mit jedem neuen Medikament wiederholten sich die Reaktionen des Patienten. Zuerst schien Jamey ruhig gestellt zu sein, solche Perioden dauerten von zwei Tagen bis zu ein oder zwei Wochen. Dann wurde er ohne jegliches Warnzeichen unbeherrschbar erregt, paranoid und verwirrt. Auf dem Höhepunkt begann er, ständig Lippen, Zunge und Oberkörper zu bewegen, Symptome einer tardiven Dyskinesie {2} , die ich in ähnlicher Form schon im Gefängnis bei ihm wahrgenommen hatte. Schließlich reagierte er überhaupt nicht mehr auf die Medikamente, sondern es zeigten sich zu allem Übel auch noch Symptome einer Arzneivergiftung.
    Jamey befand sich in einem Teufelskreis, und irgendwann spürte man die Mutlosigkeit hinter Mainwarings nüchterner Prosa. Konfrontiert mit dem letzten Rückfall, vermutete er, dass Jamey an einer völlig unbekannten Art von Psychose litt, möglicherweise an einer anfallartigen Form, einer »latenten Anomalie des limbischen Systems, welche durch eine Tomographie nicht diagnostiziert werden kann«. Die Tatsache, dass sich sehr schnell eine Dyskinesie entwickelt hatte, unterstütze, so schrieb er, die These einer Anomalie des Nervensystems, ebenso die seltsame Reaktion des Patienten auf Phenothiazin. Er zitierte Fachzeitschriften, die über die erfolgreiche Anwendung krampflösender Medikamente in anderen atypischen Fällen berichtet hatten. Da eine solche Behandlung experimenteller Natur war, worauf er hinwies, schlug er einen Test mit Carbamazepin vor, holte dafür die schriftliche Genehmigung des Vormunds ein und ließ vorher noch ein Enzephalogramm herstellen. Doch bevor man damit begann, ging es Jamey wieder besser, er beruhigte sich, war folgsamer, als er es nach seiner Aufnahme je gewesen war, und konnte sogar einige kurze Sätze sagen. Gleichzeitig verfiel er jedoch in starke Depressionen, was man aber für nicht so bedeutsam hielt wie seine offenbar überstandene Psychose. Mainwaring war zufrieden und erhielt die alte Medikation aufrecht.
    Zwei Tage darauf war Jamey verschwunden.
    Die Aufzeichnungen der Station waren nicht sehr

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