Jan Fabel 01 - Blutadler
Staatsanwaltschaft ergeben hatten. »Ich brauche irgendetwas Konkretes, das es uns ermöglicht, die Eitels länger festzuhalten und ihre Akten in die Hände zu bekommen. Die Eitels sind das einzige potenzielle Bindeglied zur Organisation Ihres Sohnes.«
Der Ukrainer schwieg eine Weile, bevor er antwortete. »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen helfen kann. Jedenfalls habe ich Ihnen im Moment nichts anzubieten. Aber wir sollten uns heute Abend, sagen wir um zwanzig Uhr, in dem Lagerhaus in der Speicherstadt treffen.«
Die Entschlossenheit in Fabels Miene war unverändert, als er den Hörer niedergelegt hatte. »Werner, hol Maria. Wir werden dem BND einen Besuch abstatten.«
Die drei marschierten flott den Korridor entlang, der vom Lift zu Volkers Büro führte. Maria reichte Fabel drei oder vier zusammengeheftete Seiten.
»Ich habe Nachforschungen zu Witrenko angestellt. Genauere Details werden wir vermutlich nicht bekommen. Nach allem, was ich erfahren habe, wird der Berkut zur Bekämpfung des Terrorismus und des organisierten Verbrechens ausgebaut. Als Einsatztruppe ist er mit der bundesdeutschen GSG 9 zu vergleichen. Die Mitglieder sind offensichtlich sehr gut ausgebildet. Ich habe bei der Zentrale in Kiew angefragt. Dort hat man sich zwar kooperativ gegeben, aber man wollte uns nicht sonderlich viel Material über Witrenko liefern. Das Einzige, was die Zentrale rausgerückt hat, war dieser Überblick über Witrenkos Karriere. Darin habe ich auch das hier gefunden ...« Maria blätterte zwei der Seiten um, die Fabel in der Hand hatte. Eine trug, wie Fabel annahm, das Wappen des ukrainischen Innenministeriums. Darunter stand ein kyrillischer Text, der auf der nächsten Seite ins Deutsche übersetzt worden war. »Guck dir das an: zwei Wochen Ausbildung in Odessa zum Thema Serientäter.«
Fabel stoppte jäh. »Und du sagst, mein Europol-Vortrag über die Helmut-Schmied-Morde zirkuliert in der Ukraine?«
»Richtig. Ich warte noch auf eine Antwort, aber ich würde ein Monatsgehalt darauf wetten, dass der Text ein Teil des Lehrgangs war.«
Fabel verspürte die Gier des Jägers, der sich seiner Beute nähert.
»Deshalb also haben wir es mit einem Fall von Serienmorden wie aus dem Lehrbuch zu tun - alles basiert tatsächlich auf Lehrbuchbeispielen. Und er hat mich ausgewählt, weil er zufällig einen Vortrag von mir über Serientäter gelesen hat.«
Werner lachte bitter. »Und er dachte, er könnte dich in die falsche Richtung lenken.«
»Gut, dass es nicht geklappt hat«, setzte Maria hinzu.
Fabel gab ihr die zusammengehefteten Blätter zurück. »Los jetzt«, sagte er. Maria und Werner folgten ihm.
Die Sekretärin tat ihr Bestes, um Fabel, Maria und Werner zurückzuhalten, doch sie stürmten an ihr vorbei in Volkers Büro. Volker saß an seinem Schreibtisch und sprach gerade auf Englisch mit zwei Männern in Hemdsärmeln. Die beiden gehörten anscheinend zu dem sechsköpfigen FBI-Team, das nach den Angriffen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center zur Polizei Hamburg abgeordnet worden war.
Hastig übertünchte Volker seinen Ärger über die Störung mit einem Lächeln. »Ich gehe davon aus, dass Sie etwas Wichtiges zu mir führt, Herr Hauptkommissar?«
Fabel antwortete nicht, sondern schaute vielsagend zu den Amerikanern hinüber.
»Entschuldigen Sie, Gentlemen«, sagte Volker in ausgezeichnetem Englisch, »wäre es möglich, unser Gespräch später fortzusetzen?«
Die beiden Amerikaner standen auf und warfen Fabel halb neugierige, halb ärgerliche Blicke zu. Als sie das Zimmer verlassen hatten, lehnte Volker sich in seinem Ledersessel zurück und streckte die Hände aus, als bedeute er Fabel, sich keinen Zwang anzutun. Es war eine Geste arroganter Lässigkeit, die Fabel, wie dieser begriff, aus der Fassung bringen und dadurch das Gleichgewicht zu Volkers Gunsten verschieben sollte. Fabel reagierte abwartend auf diese Strategie und ging zu einem der Stühle hinüber, die die Amerikaner gerade freigemacht hatten.
»Ja, Herr Oberst, es ist eine Sache von Wichtigkeit. Und von einiger Eile. Ich beabsichtige, eine Pressekonferenz über die aktuellen Morde einzuberufen«, log Fabel, »denn ich muss die Öffentlichkeit über einige Dinge informieren. Außerdem habe ich vor, Ihnen so etwas wie einen Gefallen zu tun.« Er lächelte kalt.
»Oh? Wie das?«
»Ich habe eine Erklärung vorbereitet, in der bestritten wird, dass der BND den Mörder, einen früheren ukrainischen Anti-Terror-Spezialisten namens
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