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Jan Fabel 01 - Blutadler

Titel: Jan Fabel 01 - Blutadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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um einen herumstreicht, als wäre man seine Beute.« Sie schüttelte den Kopf, als wäre sie verärgert über ihre unzureichende Beschreibung. Dann fixierte sie Fabel mit glänzenden, entschlossenen Augen. »Er ist ein Vergewaltiger, Chef. Und, wie ich vermute, auch ein Mörder. Unser Mörder.«
    Fabel musterte seine Mitarbeiterin einen Moment lang. Er konnte sie nicht dafür verurteilen, dass sie in einer Ermittlung ihrem Instinkt folgte. Genauso ging er selbst vor, wenn er tief in seinem Inneren die Einzelheiten der Bewegungen oder der Sprechweise eines Menschen oder die Details eines Schauplatzes verarbeitete. Diese Prozesse führten gewöhnlich zu einer Schlussfolgerung, an der er - wie Anna - keinen Zweifel hatte, auch wenn er sie nicht durch handfestes Beweismaterial untermauern konnte. Ein solches Gefühl angesichts von MacSwains Reaktion auf das Erscheinen zweier Hamburger Polizisten an seiner Haustür hatte ja auch Fabel bewogen, den Schotten zu verdächtigen.
    »Na schön, Anna. Ich vertraue deinem Urteilsvermögen, obwohl ich mit deiner Folgerung nicht einverstanden bin.« Die Stoppeln machten wieder einmal ein raspelndes Geräusch unter seinen Fingern. »Jemand wird MacSwain im Auge behalten, um sicherzugehen. Aber ich möchte auf keinen Fall, dass du dich noch einmal mit ihm triffst, denn immerhin besteht die Möglichkeit, dass dein Instinkt dich nicht trügt. Werner und ich könnten ihm einen offiziellen Besuch abstatten, um sein Alibi an den entscheidenden Tagen zu checken. Allerdings würde er dann darauf aufmerksam werden, dass wir ihn verdächtigen.« Fabel seufzte. »Meiner Meinung nach irrst du dich jedoch, Anna. Wir haben zwar keinen schlagenden Beweis, aber die Indizien gegen Witrenko sind recht eindeutig.«
    »Ich weiß«, entgegnete Anna. »Und ich danke dir für deine Offenheit.«
    »Keine Ursache.« Fabel musterte Annas Gesicht. Sie wirkte völlig ausgelaugt. Er hatte nie undercover gearbeitet, doch er kannte viele Beamte mit solchen Erfahrungen. Es war eine der körperlich, emotional und geistig anstrengendsten Aufgaben für einen Polizisten. Das Bild Klugmanns, der ihm im Vernehmungszimmer auf der Davidwache gegenüber gesessen hatte, ging ihm durch den Kopf. Fabel hatte die dunklen Ränder unter den Augen des Mannes auf Drogenmissbrauch zurückgeführt, aber wahrscheinlich waren sie durch die seelische Belastung verursacht worden. Und die Spuren von Amphetaminen, die man bei der Autopsie gefunden hatte, waren vermutlich Klugmanns Mittel gewesen, um durchhalten zu können. Nun entdeckte Fabel die gleiche bleierne Gereiztheit an Annas Bewegungen, die gleichen roten Lider und die dunklen Schatten um die Augen. »Hör zu, Anna, ich habe dich für die nächsten vierundzwanzig Stunden vom Dienst freigestellt. Fahr nach Hause und schlaf dich aus.«
     

 
    Polizeipräsidium Hamburg,
    Samstag, den 21. Juni, 10.00 Uhr
      Zumindest fühlte Fabel sich sauberer, und der Wechsel seiner Kleidung war ihm so vorgekommen, als hätte er eine zerknitterte Haut abgelegt. Aber die zwei Stunden Schlaf hatten die Schatten der Müdigkeit nicht vertreiben können, und er musste sich anstrengen, seine Bewegungen und Gedanken nicht von ihr beherrschen zu lassen. Wie verabredet, hatte Werner Wolfgang Eitel kurz vor acht Uhr zum Verhör abgeholt, und ein zweites Team unter Leitung von Paul Lindemann hatte seinen Sohn zur selben Zeit ins Präsidium gebracht. Vater und Sohn waren voneinander getrennt, doch ihre wütenden Drohungen, rechtliche Schritte gegen einzelne Beamte, die Polizei Hamburg und die Landesregierung einzuleiten, klangen fast identisch. Fabel wusste, dass diese Drohungen sehr ernst zu nehmen waren, falls sich keine handfesten Verdachtsmomente gegen die Eitels nachweisen ließen. 
    Wie zur Betonung dieser Tatsache hielt sich eine kleine Gruppe von Rechtsbeiständen, darunter Waalkes, im Wartebereich des Präsidiums auf, als Fabel eintraf. Waalkes entdeckte ihn, als er gerade den Lift betrat, und stürmte auf ihn zu. Fabel rief enthusiastisch: »Guten Morgen, Herr Waalkes!«, während sich die Lifttüren schlossen. Waalkes hatte erst die Hälfte des Empfangsbereichs durchquert und auch erst die Hälfte eines erbosten Protests ausgestoßen.
    Fabel rief Werner aus Vernehmungszimmer eins zu sich. Werner hatte Wolfgang Eitel hingehalten, der unverzüglichen Zugang zu einem Anwalt verlangte.
    »Unten gibt es genug von ihnen«, sagte Fabel. »Wir können ihm die Beratung durch einen Anwalt nicht verwehren.

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