Jan Fabel 02 - Wolfsfährte
Lieferwagen, um die Waren zu überbringen?«
»Manchmal. Ja. Warum erkundigen Sie sich nach Herrn Biedermeyer?«
Fabel ignorierte die Frage. »Ist er zurzeit hier?«
»In der Fabrikhalle…«
Bevor sie weitersprechen konnte, war Fabel aufgesprungen und folgte seinen Kollegen die Treppe hinunter.
Biedermeyer beugte sich vor und setzte, wie bei seiner ersten Begegnung mit Fabel, ein kleines Blumenornament auf einen Kuchen. Wiederum schien es eine unmöglich komplizierte Aktion für seine riesigen, schweren Hände zu sein, und die Zuckergussblumen wirkten winzig und zerbrechlich zwischen seinem massiven Zeigefinger und Daumen. Als er die Gruppe von Polizeibeamten herankommen sah, richtete er sich auf,und seine gutmütigen Züge ließen ein breites Grinsen erkennen. Anna und Henk trennten sich von der heranrückenden Gruppe und schoben die Arbeiter aus der Produktionshalle. Biedermeyer schaute belustigt zu.
»Guten Tag, Herr Kriminalhauptkommissar. Bitte, entschuldigen Sie mich einen Moment, ich muss die beiden letzten Blumen an diesem Kuchen anbringen.« Wieder ergriffen sein Zeigefinger und Daumen eine Verzierung von seiner anderen Handfläche und drückten sie in den Kuchen. Dies wiederholte er mit der letzten Blume. Biedermeyer richtete seine gewaltige Gestalt erneut auf, trat einen Schritt zurück, um sein Werk zu mustern, und sagte: »Na also!« Dann wandte er sich wieder Fabel zu. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen, aber das musste beendet werden.« Das Lächeln auf seinem großen Gesicht blieb freundlich, geradezu herzlich, und die Fältchen um seine Augen wurden tiefer. »Ich tue diese Dinge gern. In solchen Fällen wie diesem hier finde ich immer, dass die Details am wichtigsten sind.« Er musterte die anderen Beamten, bevor er Fabel erneut ansah. »Aber das habe ich wahrscheinlich längst bewiesen, oder? Hat Ihnen meine Arbeit gefallen, Herr Hauptkommissar? Habe ich Sie unterhalten?«
Fabels Hand schob sich zu seiner Hüfte, und er zog die Pistole aus dem Halfter. Er hob sie nicht, sondern hielt sie einsatzbereit an seiner Seite. Biedermeyer richtete die Augen auf die Pistole und schüttelte den Kopf, als wäre er enttäuscht.
»Das ist nicht nötig, Herr Fabel. Ganz und gar nicht. Meine Arbeit ist abgeschlossen. Ich habe alles getan, was ich tun sollte.«
»Herr Biedermeyer…«, begann Fabel. Doch Biedermeyer hob die Hand wie ein Verkehrspolizist, der sich nähernde Fahrzeuge stoppt. Er lächelte immer noch, aber seine schiere Größe war bedrohlicher, als sein Gesichtsausdruck es hätte sein können.
»Also, Herr Fabel, Sie wissen doch, dass das nicht mein richtiger Name ist. Nach allem, was Sie gesehen haben, oder?«
»Und wie ist Ihr Name?«
»Grimm.« Biedermeyer lachte, als werde er gezwungen, etwas völlig Einleuchtendes zu erklären. »Ich bin Bruder Grimm.«
Fabel hörte, wie mehrere Feuerwaffen aus den Halftern gezogen wurden.
»Franz Biedermeyer, Sie sind verhaftet, denn Sie werden verdächtigt, Paula Ehlers, Martha Schmidt, Hanna Grünn, Markus Schiller, Bernd Ungerer, Lina Ritter und Max Bartmann ermordet zu haben. Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden.« Fabel ließ seine Pistole ins Halfter gleiten, nachdem er sich durch einen Blick über die Schulter überzeugt hatte, dass Werner und Maria ihm Deckung gaben. Er zog die Handschellen aus seiner Gürteltasche, packte Biedermeyers Gelenke und drehte ihn um. Während er den Bäckermeister festhielt, wurden ihm dessen Masse und potenzielle Kraft noch bewusster. Die Handgelenke waren breit und hart. Aber zu Fabels Erleichterung leistete Biedermeyer keinen Widerstand.
Auf dem Weg zu den wartenden Autos kamen sie an Vera Schiller vorbei. Ihre dunklen Augen waren auf Biedermeyer gerichtet, der die Treppe hinauf und durch den Korridor zum Ausgang geführt wurde. Er blieb stehen, und das Lächeln auf seinem Gesicht erstarb.
»Es tut mir Leid«, sagte er mit leiser Stimme. Vera Schiller schnaubte, als weise sie etwas Verachtenswertes von sich. Biedermeyer ging weiter. Frau Schiller legte eine Hand auf Fabels Arm, und er bedeutete Henk und Anna, Werner und Biedermeyer nach draußen zu begleiten. In Vera Schillers Augen zeichnete sich ein gewisser Trotz ab. Ihre Stimme war kalt und scharf.
»Ich habe meinen Mann geliebt, Herr Fabel. Ich habe Markus wirklich sehr geliebt.« Ihr Gesicht blieb unbewegt, docheine Träne sickerte aus ihrem Augenwinkel und lief ihr über die Wange. »Ich möchte, dass Sie das
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