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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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haben es mit Märchen zu tun. Mit einer Welt, in der nichts so ist, wie man glaubt. Alles hat eine Bedeutung, eine Symbolik. Der böse Wolf repräsentiert nicht die Wölfe, sondern uns. Die Menschen. Die Mutter ist das Großzügige und Gute in der Natur, während die Stiefmutter die andere Seite verkörpert – alles, was in der Natur tückisch und destruktiv und böse ist. Und Backwaren: einerseits die einfache, ehrliche Nahrhaftigkeit von Brot; andererseits die wollüstige Verlockung von gebackenen Köstlichkeiten. Es ist ein Motiv, das sich durch sämtliche Grimm’schen Märchen zieht.«
    »Chef«, rief Anna und bedeckte die Muschel des Telefons mit der Hand. »Der Aufsichtsbeamte war grantig, aber ich habe Olsen an der Strippe.« Fabel nahm den Hörer entgegen. »Olsen, Sie haben die Chance, Ihre Unschuld an den Morden zu beweisen. Sie erinnern sich daran, dass wir über Ungerer, den Gerätevertreter, gesprochen haben?«
    »Ja…«
    »Was hat Hanna noch darüber gesagt, wie er sie angesehen hat?«
    »Was?… Ich weiß nicht… ach ja, dass er sie mit den Augen aufgefressen hat.«
    Ja, dachte Fabel, und die Augen sind ausgedrückt worden und fressen niemanden mehr auf. »Gab es noch jemanden in der Bäckerei, der Hanna attraktiv fand?«
    Olsen lachte. »Die meisten männlichen Angestellten wahrscheinlich.«
    »Aber gab es eine bestimmte Person?« Fabels Stimme war ungeduldig. »Jemanden, der sie vielleicht bedrängt hat?«
    Stille am anderen Ende der Leitung.
    »Bitte, Herr Olsen. Es ist sehr wichtig.«
    »Nein… nein. Ich glaube, dass ihr Chef, Herr Biedermeyer, der Bäckermeister, in solchen Fällen sehr streng war. Sie hat sich sogar bei ihm über Ungerer beklagt. Er wollte mit Frau Schiller darüber reden.« Nun war es an Fabel zu schweigen.
    »War es das, was Sie wissen wollten?«, fragte Olsen unsicher. »Bin ich damit entlastet?«
    »Vielleicht… vermutlich. Ich melde mich wieder bei Ihnen.« Fabel legte auf. »Ruf die Kasseler Kripo an«, bat er Anna. »Finde heraus, ob Martha Schmidt in den Wochen unmittelbar vor ihrer Entführung eine Geburtstagsparty oder eine Veranstaltung, bei der Lebensmittel geliefert wurden, besucht hat.«
    »Okay, Chef. Aber bei ihrer Herkunft kommt mir das unwahrscheinlich vor. Ihre Junkie-Eltern waren bestimmt nicht organisiert oder interessiert genug, um eine Einladung anzunehmen und sie zu einer Party zu bringen.«
    »Das Traurige ist, Anna, dass Martha sich vermutlich selbst um diese Dinge gekümmert hat. Sie hatte in der Familie offenbar mehr Verantwortungsgefühl als die Erwachsenen.« Fabel seufzte. Der Gedanke an die verwahrloste Martha Schmidt, die allein und ohne Geschenk auf einer Geburtstagsparty erschien, machte ihm zu schaffen. »Außerdem möchte ich, dass du bei der Familie Ehlers nachfragst – schließlich kennt man dich dort –, woher Paulas Geburtstagstorte kam.« Er rief zu Maria Klee hinüber: »Maria, nimm Kontakt mit Heinz Schnauber, Laura von Klosterstadts Agenten, auf und erkundige dich bei ihm, wer das Catering für ihre Party besorgt hat. Auch in diesem Fall möchte ich wissen, woher die Torte gekommen ist.«

58.
    Hamburg-Bostelbek, Freitag, den 30. April, 10 Uhr
    Fabel hatte die Antworten, die er brauchte. Oder jedenfalls genug erforderliche Antworten. Die Kasseler Polizei hatte bisher nicht sagen können, ob Martha Schmidt vor ihrer Entführung eine Geburtstagsparty besucht hatte. Außerdem hatte Anna festgestellt, dass Marthas Mutter nach der Identifizierung ihrer Tochter in Hamburg nicht mehr nach Hause zurückgekehrt war. Es ärgerte Fabel, von einer fernen Polizeibehörde erfahren zu müssen, dass Ulrike Schmidt noch in Hamburg Selbstmord begangen hatte. Das hätte ihm die zuständige Polizeidirektion mitteilen müssen. Nachdem sich Fabels Zorn über die Kommunikationspanne bei der Polizei Hamburg gelegt hatte, fiel ihm ein, wie unnachsichtig Anna mit Ulrike Schmidt umgesprungen war, weil sie die Frau für eine herzlose, egozentrische Süchtige gehalten hatte. Aber sie war – auf ihre eigene Art – doch eine Mutter gewesen.
    Anna hatte die Familie Ehlers angerufen und sich bestätigen lassen, dass Paulas Torte von der Backstube Albertus geliefert worden war. Maria fand heraus, dass Heinz Schnauber eine riesige, reich verzierte Torte eigens für Laura von Klosterstadt bestellt hatte, aber nicht bei der Catering-Firma, die die übrigen Speisen und Getränke anlieferte, sondern bei einer auf solche Anlässe spezialisierten Bäckerei: bei der

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