Jan Fabel 04 - Carneval
haben. Vera Reinartz hat ihren Namen im Jahr 2000 geändert. Und zwar rechtskräftig.«
»Offensichtlich wollte sie eine so große Entfernung wie möglich zwischen sich und das Ereignis legen«, sagte Fabel.
»Genau das ist seltsam«, erwiderte Tansu. »Ich hätte gedacht, dass sie möglichst weit von hier wegziehen würde. Aber sie ist in Köln geblieben. Warum hat sie ihren Namen und nicht auch ihren Wohnort geändert?«
»Sie haben vermutlich eine Adresse?«, erkundigte sich Fabel.
»Ja. Ich will versuchen, noch heute mit ihr zu sprechen«, antwortete Tansu.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gern dabei sein. Und Herr Scholz natürlich auch.«
»In Ordnung.« Fabel glaubte, ein wenig Zurückhaltung in Tansus Stimme zu entdecken.
»Ich bin ziemlich sicher, dass Sie da auf etwas Nützliches gestoßen sind. Es könnte unsere beste Spur sein.« Fabel wandte sich Scholz zu. »Ich habe alles gelesen, was Tansu zu dem Fall zusammengetragen hat, und ich stimme mit ihr überein. Es ist durchaus möglich, dass der Überfall mit diesen Morden zu tun hat.«
»Und der Fall vier Jahre später? Annemarie Küppers, das Mädchen, das zu Tode geprügelt wurde?«, fragte Tansu.
»Da bin ich mir nicht so sicher. Die Sache passt zu der Brutalität des Überfalls auf Vera Reinartz, aber nicht zu den beiden anderen Morden. Ich schließe jedoch nichts aus. Die Hauptsache ist, dass Vera Reinartz, wenn sie tatsächlich ein Opfer unseres Täters war, wahrscheinlich unsere einzige Zeugin ist.«
»Ich werde feststellen, wo sie sich momentan aufhält, und dann können wir heute Nachmittag oder heute Abend mit ihr reden«, sagte Tansu.
Sie nahmen Scholz’ VW. Die Adresse, die der Oberkommissar für À la Carte hatte, war in Deutz, das sie innerhalb von Minuten erreichten. Kleine Geschäfte und Mietshäuser wechselten einander ab. Es gab ein Restaurant, eine Gaststätte, eine Feinkosthandlung und einen Laden, in dem man Computer verkaufte und reparierte. Scholz führte Fabel zu einer Tür zwischen dem Computergeschäft und der Feinkosthandlung. Auf den Klingelschildern standen eine Reihe von Unternehmen.
»Da ist es«, sagte Scholz. »À la Carte/Hostessenagentur. Erster Stock.«
Man gab sich alle Mühe, den Eindruck zu vermitteln, dass es sich um eine seriöse Firma handelte. Leo Nielsen trug einen dunklen Anzug, und das Büro der Hostessenagentur hätte einem Innenarchitekten gehören können. An der Rezeption sah man keine nuttenhaften Frauen, und auch die Vorzimmerdame war unauffällig und konservativ gekleidet. Nielsen verlieh dem Ganzen geradezu den letzten Schliff, denn er wirkte wie ein beliebiger Geschäftsmann, wenn man davon absah, dass sein Hals so breit wie sein Kopf war und dass sich der Stoff seines Anzugs um die Schultern spannte. Außerdem zog sich ein heller Streifen über eine seiner Wangen. Fabel vermutete, dass Nielsens Menschenführungserfahrung damit begonnen hatte, drogenabhängige Huren am Hauptbahnhof zu ohrfeigen, bis sie ihr Kleingeld herausrückten.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte Nielsen.
»Im Hotel Linden ist es zu einem Vorfall gekommen«, erklärte Fabel. »Eines Ihrer Mädchen hat behauptet, dass ein Kunde sie gebissen hat, und zwar sehr schlimm. Wir möchten mit ihr sprechen.«
»Das ist doch längst erledigt.« Nielsen seufzte müde. »Wir … sie verzichtet darauf, Anzeige zu erstatten.«
»Das wissen wir.« Scholz setzte sich so auf die Ecke von Nielsens Schreibtisch, dass ein Behälter mit Kugelschreibern und ein Taschenrechner auf den Boden fielen. »Aber wie soll ich es ausdrücken? Es ist uns scheißegal. Wenn Sie mir nicht sofort den Namen des Mädchens nennen, werde ich jede Unterlage und jede Kreditkartenquittung durchgehen und persönlich jeden Freier aufsuchen, der seinen Schwanz in eine Ihrer Huren gesteckt hat.«
»Ich brauche mir keine Drohungen anzuhören.« Nielsen bewahrte die Fassung und sah Scholz verächtlich an.
»Niemand will jemandem drohen«, sagte Fabel und warf Scholz einen bedeutungsvollen Blick zu. »Wir brauchen einfach den Namen der Frau. Sie könnte wichtige Informationen über einen Mordfall haben, an dem wir arbeiten.«
Nielsen tat so, als überprüfte er die Dateien auf seinem Computer. »Manchmal nennen uns die Mädchen nicht ihren richtigen Namen.«
»Also, ich hoffe, dass diese es getan hat, Herr Nielsen«, meinte Fabel, »oder es könnte schwierig für Sie werden. Wir sind nicht an Ihnen oder Ihrem Geschäft interessiert. Und nicht
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