Jan Fabel 04 - Carneval
Hinterkopf hochgebunden, und nun löste sie es. Ein prächtiges Rot, viel tiefer als das von Sylvia, die ihn so viele Jahre vorher mit seinen eigenen Gelüsten bekannt gemacht hatte.
»Natürlich«, antwortete er. »Viele Male. Warum ziehst du dich nicht aus? Lass uns anfangen.«
»Noch nicht. Ich muss wissen, ob du es mit anderen Mädchen getan hast.«
»Sicher. Das habe ich doch gerade gesagt.«
»Und es hat ihnen gefallen?«
»Hm. Vielleicht nicht so sehr, wie es dir gefallen wird. Sie hatten mich missverstanden.«
»Also wollten sie es nicht, und du hast es trotzdem getan?«
»Ich weiß nicht … Ja, so war es wohl. Welche Rolle spielt das?« Oliver runzelte die Stirn. Sie verdarb alles. Warum musste das dumme Weibsstück so viel reden? Er packte sie grob an den Schultern. »Du hast in deiner Antwort gesagt, dass du es so haben willst. Fangen wir an.«
»Du möchtest mich beißen?«
»Ja.« Begierde und Wut ließen ihn kaum atmen. »Ich werde dir die Zähne ins …«
»Du möchtest, dass ich blute, und willst mir Fleisch aus dem Gesäß reißen?« Susi rückte näher. Er konnte ihren Körper und ihr Haar riechen. »Wie du die anderen gebissen hast?«
»Ja …« Er zerrte an ihrer Bluse und sah die Schwellung ihrer Brüste. Ihres üppigen, warmen Fleisches.
»Noch nicht.« Sie stieß ihn energisch zurück. »Erzähl mir von ihnen.«
»Ich habe ihnen wehgetan.« Olivers Zorn brodelte. »Ich habe ihnen wirklich wehgetan, und nun werde ich dir wehtun, du verdammte Schlampe!«, schrie er. »Du glaubst, du kannst mich heißmachen, du Hure, aber jetzt verpasse ich dir einen Denkzettel. Ich werde dich beißen und ficken, und wenn du nicht ruhig bist, haue ich dich zu Brei.« Er stürzte sich auf sie und schwang die Faust, um ihre Schläfe zu treffen.
Der Schlag traf sie nicht. Einem stechenden Schmerz an der Innenseite seines Unterarms – dort hatte sie den Hieb blockiert – folgte eine quälende Explosion, als sie ihm das Knie in den Unterleib rammte. Die Wut wurde zu Verwirrung und Furcht, als er begriff, dass sie ihm den Arm auf den Rücken gedreht und ihn an die Wand gepresst hatte. Er konnte sich nicht mehr bewegen und auch nicht viel sehen, da seine Wange kraftvoll an die Zimmerwand gedrückt wurde. Er hörte andere Geräusche: ein Krachen. Rufe. Das Zimmer füllte sich mit dunkel gekleideten, bewaffneten Gestalten. Sie ergriffen ihn und legten ihm Handschellen an. Susi riss ihn herum und schob sich die dichten kupferroten Locken aus dem Gesicht.
»Jetzt, Hans , werde ich dir meinen wirklichen Namen verraten. Ich heiße Tansu Bakrac. Kriminalkommissarin Tansu Bakrac. Und du, du perverser Drecksack, bist verhaftet.«
Als sie ihn aus der Wohnung führten, bemerkte Oliver, dass nun alle Türen im Flur geöffnet waren. Leere Zimmer. Keine Möbel. Hier hatten die anderen Polizisten gewartet. Deshalb war Susi sofort mit ihm ins Schlafzimmer gegangen. Eine Maskerade. Wahrscheinlich hatte man jedes Wort aufgezeichnet, das er seit dem Treffen mit »Susi« im Hotel geäußert hatte.
Zwei weitere Polizeibeamte in Zivil warteten im Flur. Natürlich kannte Oliver den kleineren, dunkelhaarigen, der ihn nun schockiert anblickte. »Susi« wandte sich an den größeren, blonden Mann, den Oliver noch nie gesehen hatte, und grinste.
»Das war ein prima Gefallen, um den Sie mich da gebeten haben …«
5.
»Was ist denn los, Benni?«, fragte Fabel, als die Uniformierten »Hans« zu einem der wartenden Streifenwagen abführten. »Du siehst aus, als wäre dir ein Gespenst über den Weg gelaufen.«
»Scheiße.« In Scholz’ Miene spiegelte sich immer noch der Schock wider. »Verdammter Mist …«
»Was gibt’s?« Tansus triumphierendes Grinsen wich einem unschlüssigen Ausdruck.
»Weißt du nicht, wer das ist? Du hast gerade Dr. Oliver Lüdeke verhaftet.«
»Den Gerichtsmediziner?«
»Genau den. Nun ist die Kacke wirklich am Dampfen.«
»Ein Gerichtsmediziner«, wiederholte Fabel. »Also ein Experte darin, eine exakte Menge Menschenfleisch zu entfernen.«
Scholz hatte die Vernehmung geführt und Fabel gebeten, ihm Beistand zu leisten. Allerdings war das nicht sonderlich hilfreich gewesen. Fabels Abneigung gegenüber Oliver Lüdeke war spontan und intensiv gewesen; er wusste, dass er eine ähnliche Verachtung gegenüber Lüdeke empfunden hätte, wenn er ihm auf einer Cocktailparty und nicht als Hauptverdächtigem in mindestens zwei entsetzlichen und brutalen Mordfällen begegnet wäre. Lüdeke hatte sich
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