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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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»Bullenschädel« beobachtete sie aus der Ecke. Scholz betrachtete ihn mürrisch.
    »Wir haben nur noch acht Tage bis zur Weiberfastnacht«, seufzte er. »Ich hoffe bei Gott, dass Lüdeke unser Mann ist. Wenn die DNA-Analyse nichts bringt, können wir einpacken.«
    »Und selbst wenn sie etwas bringt«, setzte Fabel hinzu, »bezieht sie sich nur auf die Vergewaltigung und Körperverletzung im Fall Vera Reinartz. Lüdeke ist offensichtlich ein sexueller Sadist mit einer Kannibalismus-Neurose, aber ohne ein Geständnis oder zusätzliches Beweismaterial wird er niemals wegen Mordes angeklagt. Aber Lüdekes Arroganz und seine hoch bezahlten Anwälte werden verhindern, dass wir ein Geständnis bekommen.«
    »Die Spurensicherung hat nichts gefunden. Sowohl sein Büro als auch seine Wohnung sind sauber«, berichtete Scholz verdrießlich. »Das Ärgerliche ist, dass sich die Waffe, die er benutzt hat, um Stücke von seinen Opfern abzuschneiden, direkt vor unserer Nase befinden könnte. Ich habe noch nie einen Verdächtigen gehabt, der beruflich Menschen zerlegt. Das ist ein kriminaltechnischer Albtraum. Wenn nur Vera Reinartz oder Andrea Sandow – oder wie immer sie nun heißen möchte – einen der verdammten Briefe aufbewahrt hätte.«
    »Selbst dann ließe sich nur ein direkter Zusammenhang zu dem Überfall auf sie herstellen«, klagte Fabel. »Das Einzige, was ihn mit den Morden in Verbindung bringt, ist die Ähnlichkeit des Modus operandi: die Krawatte um den Hals der Opfer und die Bisse. Nichts als Indizien. Benni, wir werden ihn vielleicht nie der Morde überführen, aber wenn wir ihm die Vergewaltigung und Verletzung von Vera Reinartz nachweisen, können wir ihn wenigstens in der Weiberfastnacht von den Straßen fernhalten. Bei einer Verurteilung dürfte es einige Jahre dauern, bis er wieder Karneval feiern kann. Aber natürlich nur, wenn die DNA übereinstimmt.«
    Sie wurden von Kris Feilke unterbrochen, der sein blasses Schuljungengesicht durch die Tür steckte.
    »Wir haben den Halunken, Benni!«, rief Kris strahlend. »Eine perfekte Übereinstimmung. Oliver Lüdeke ist der Mann, der Vera Reinartz vergewaltigt hat.«
    6.

    Andrea öffnete auf Tansus und Fabels Klingeln hin ihre Wohnungstür. Sie trug einen kurzen Rock und eine weite schwarze Bluse. An beiden Handgelenken prangte schwerer Modeschmuck, und ihr Gesicht war noch stärker geschminkt als bei Fabels letzter Begegnung mit ihr. Sie hätte sich nicht weiblicher präsentieren können, doch die hauchdünnen Strümpfe betonten lediglich die kräftige Muskulatur ihrer Schenkel, die Bluse hob die Breite ihrer Schultern hervor, und das Make-up ließ die männliche Eckigkeit ihrer Züge hervortreten. Was an Andrea Sandow weckte solche Feindseligkeit in Fabel?
    »Ich wollte gerade weggehen«, erklärte sie.
    »Es dauert nicht lange.« Fabel wollte die Wohnung betreten, doch Andrea ließ ihn nicht an sich vorbei. »Ich habe einen Termin und darf mich nicht verspäten.«
    »Wir haben ihn, Frau Sandow«, sagte Tansu. »Den Mann, der Sie vor acht Jahren überfallen hat.«
    »Sind Sie sicher?« Was immer Andrea dachte, blieb hinter ihrer Maske verborgen.
    »Absolut«, bestätigte Fabel. »Wir haben eine perfekte DNA-Übereinstimmung. Der Mann heißt Oliver Lüdeke.«
    Die Maske zerbrach. Andrea starrte Fabel ungläubig an. »Oliver Lüdeke?«
    »Kennen Sie ihn?«
    Andrea trat beiseite. »Kommen Sie besser rein. Ich muss telefonieren … und versuchen, meinen Termin zu verschieben.«
    7.

    Wieder hatte Maria keinen Ankerpunkt in der Zeit. Sie ahnte nicht, wie lange sie geschlafen hatte oder bewusstlos gewesen war. Vielleicht ein paar Minuten, vielleicht ein paar Tage. Als Erstes machten sich beim Aufwachen die Schmerzen bemerkbar: an den Rippen, im Gesicht und ein heißes, scharfes Kribbeln an ihrer abgeschabten Haut. Maria klammerte sich an den Schmerz. Es war die Lektion, die Witrenko sie gelehrt hatte: Schmerz bedeutete Leben.
    Sie lag auf einer Matratze auf einem metallenen Feldbett. Man hatte sie wieder angezogen, und ihre Kleidung roch muffig und verschwitzt. Mehrere Decken waren über sie gelegt worden, aber sie befand sich immer noch in dem Fleischkühlraum. Nein, »immer noch« stimmte nicht. Man musste sie aus der Kammer geholt haben, um sie aufzuwärmen und den tödlichen Verfall durch Unterkühlung zu verhindern. Das hatte Zeit und Geschick erfordert.
    Sie schob die Ärmel ihres Mantels und ihres Pullovers hoch und fand am linken Arm, was sie gesucht hatte:

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