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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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zeichneten sich dunkel vor dem Nachthimmel ab. Oliver erwiderte Anastasias Lächeln und ließ die Zimmertür einschnappen.
    Ich hoffe, dachte er, dass sie nicht schreit. So wie die Letzte.
    8.

    Jeder muss manchmal ein anderer sein, wenn auch vielleicht nur für zwei Stunden, um sich in einem anonymen Hotelzimmer in der Umarmung eines Fremden zu verlieren. An diesen Gedanken klammerte Andrea sich stets in den ersten Momenten der Begegnung mit einem Kunden. Sie sah sich nicht als Prostituierte, weil sie sich nie wie Fleisch verkaufen lassen würde. Schließlich war sie nicht das, was normalerweise als feminin galt. Aber nicht jeder hatte das gleiche Weiblichkeitsideal, und durch die Arbeit, welche die Agentur ihr verschaffte, wurde ein Nischenmarkt bedient. Sie war keine gewöhnliche Frau, und die Männer, die sie bezahlten, hatten es nicht auf gewöhnlichen Sex abgesehen. Andreas Agentur war auf die ausgefalleneren Bereiche des Sexgeschäfts spezialisiert, und sie mochte gar nicht daran denken, welche anderen Bedürfnisse von der Firma sonst noch befriedigt wurden. Sie hatte stets den Verdacht gehabt, dass À la Carte von Gangstern geleitet wurde, doch ihr Kontakt mit der Agentur beschränkte sich auf die Anrufe per Handy und die Umschläge mit der Provision, die Andrea zurückschickte.
    Sie wusste, dass die Agentur nach ihr – oder nach jemandem wie ihr – Ausschau gehalten hatte. Die erste Fühlungnahme erfolgte in dem Fitnessstudio, wo sie sich zusammen mit einigen der anderen Mädchen auf einen lokalen Wettbewerb vorbereitete. Ein schmierig wirkender Mann namens Nielsen war an sie herangetreten. Er trug zwar einen Anzug, aber er hatte die vierschrötige Statur und das Gesicht eines Gangsters. Andrea fiel auf, dass die anderen Mädchen, mit denen Nielsen sprach, alle eine ähnliche Muskelmasse wie sie aufwiesen. Zunächst behauptete Nielsen, er suche Fotomodelle, allerdings für ganz bestimmte Motive. Das beunruhigte Andrea nicht weiter, denn sie war daran gewöhnt, sich in einem Bikini zu präsentieren, der ihren muskulösen Körper nur mühsam im Zaum halten konnte. Ohne den Bikini angeglotzt zu werden machte ihr nicht allzu viel aus. Nach dem zweiten Fototermin erklärte Nielsen, dass das Hauptgeschäft von À la Carte darin bestand, Hostessen bereitzustellen. Hostessen für eine sehr anspruchsvolle Klientel.
    Köln hatte als erste deutsche Stadt eine Steuer auf das Einkommen von Prostituierten erhoben, doch bei À la Carte wurden die Bücher nicht sonderlich sorgfältig geführt. Dadurch war es Andrea gelungen, eine Registrierung als Teilzeit-Sexarbeiterin zu vermeiden und eine Steuer auf ihren »Zusatzerwerb« zu umgehen. Sie brauchte das durch die Hostessenarbeit verdiente Geld als Ergänzung zu den Einnahmen aus ihrem Café, doch ihr ging es nicht bloß um den Verdienst.
    Andrea war für zwei Stunden gebucht worden, und sie würde die Agentur später anrufen, um zu bestätigen, dass sie bezahlt worden war und sich wohlbehalten von dem Kunden getrennt hatte. Nicht, dass sich irgendjemand ernste Sorgen um Andrea gemacht hätte, denn es war offensichtlich, dass sie ohne Mühe auf sich selbst aufpassen konnte. Aber falls sie dennoch in Schwierigkeiten geriet, standen zwei kräftige Burschen bereit.
    Sie ordnete ihre Kunden immer als kleine Männer ein. Wahrscheinlich waren sie der gleichen Meinung über sich selbst. Das hatte nichts mit ihrer körperlichen Größe zu tun – dieser Kunde maß mindestens einen Meter achtzig –, sondern mit ihrer Selbsteinschätzung und mit Andreas Urteil über sie.
    Der Kunde war in den Vierzigern, schmal und bleich; sein Anzug gehörte in die mittlere Preisklasse, genau wie das Hotelzimmer. Er saß auf dem Bettrand, und seine Miene ließ eine Mischung aus Nervosität und Erregung erkennen. Andrea tat nichts, um ihn zu beruhigen, denn das war nicht ihre Aufgabe. Sie ließ sich seinen Namen bestätigen und verlangte den Umschlag mit dem Geld. Andrea nahm nur Bargeld. Sie prüfte den Betrag und stopfte den Umschlag in ihre Handtasche.
    »Zieh dich aus«, befahl sie und legte ihren Regenmantel, ihre Jeans und ihren flauschigen Pullover ab. Darunter trug sie eine Korsage, die ihre Brüste entblößte, und dazu schwarze Lederstrapse, die ihre Genitalien frei ließen. Wie immer hatte sie ein volles Training absolviert, bevor sie ihren Kunden aufsuchte. Ihre geölten Muskeln waren hart und glatt. Der Mann auf dem Bett betrachtete sie mit einem Ausdruck der Ehrfurcht. Er war

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