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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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vorbeiging.
    Die Inhaber des Biarritz waren keine Ukrainer, doch das Restaurant hatte in der BKA-Akte auf einem zwanzig Seiten langen Verzeichnis deutscher Unternehmen gestanden, die verdächtigt wurden, von Witrenkos Organisation eingeschmuggelte Ukrainer zu beschäftigen. Maria bemerkte den Nachteil gegenüber Hamburg oder Hannover, wo sie im Gegensatz zu Köln mit den Örtlichkeiten vertraut war. Sie fühlte sich schutzlos, denn sie hatte keinen Zweifel, dass sie bei der Verfolgung ihrer gefährlichen Beute sehr leicht von der Jägerin zur Gejagten werden konnte. Immerhin hatte sie einen Weg durch verzweigte Gassen zur Hintertür des Biarritz gefunden. Sie wusste, dass der junge Ukrainer, den sie gelegentlich herauskommen sah, Hilfsarbeiten verrichtete und dass in einer Restaurantküche stets Abfall hinausgeschafft werden musste.
    Maria beobachtete die Rückseite des Restaurants von einer mit Müll- und Recyclingtonnen gesäumten Gasse aus. Das Erdgeschoss des Biarritz hatte hinten keine Fenster, und die schwere Feuertür war mit Metall verstärkt. Deshalb hielt die Geschäftsführung eine Videoüberwachung offensichtlich für überflüssig, was Maria gestattete, sich dem Mann zu nähern, ohne dass die Begegnung aufgezeichnet oder auch nur bemerkt wurde. Wenn sie den Ukrainer zum Reden bringen wollte, musste er sich sicher fühlen. Falls sie ihn überhaupt dazu bewegen konnte.
    Es war kalt. Maria trug im Moment elegante Kleidung, hatte sich aber gut eingepackt. Seit jener Nacht hasste sie die Kälte, die ihr vorher nie etwas ausgemacht hatte. Im hohen Gras liegend, Fabels Gesicht dicht neben ihrem, hatte sie ein nie da gewesenes Frösteln verspürt und darum gekämpft, wach zu bleiben, obwohl sie nur mühsam nach Luft schnappen konnte. Fabels Atem war warm über ihre Wange gestrichen, und Maria hatte begriffen, dass der Tod kalt ist. Seitdem achtete sie darauf, nie auszukühlen.
    Die Hintertür des Restaurants öffnete sich, und ein dürrer Mann von Anfang zwanzig kam heraus. Er trug ein weißes T-Shirt und eine befleckte Schürze, die von seiner Taille bis zu seinen Schienbeinen reichte. Nachdem er einen Blick über die Schulter zurück in die Küche geworfen hatte, zündete er sich eine Zigarette an und lehnte sich an die Wand. Er wirkte erschöpft und abgezehrt und rauchte die Zigarette mit der Dankbarkeit eines Menschen, der einen kostbaren, privaten Moment genoss. Als Maria auf ihn zutrat, richtete er sich auf, um in die Küche zurückzukehren.
    »Warten Sie!«, rief Maria. Sie hielt ihre ovale, bronzene Kripomarke hoch. »Polizei …« Sie verließ sich darauf, dass der Ukrainer sich nicht widersetzen oder nach ihrem Polizeiausweis fragen würde, aus dem natürlich hervorging, dass sie sich mehrere Hundert Kilometer außerhalb ihrer Zuständigkeit befand. Der junge Mann sah erschrocken aus. Verängstigt. »Keine Sorge«, sagte Maria mit einem müden Lächeln. »Ich bin nicht an Ihrem Aufenthaltsstatus interessiert. Aber ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    Der Ukrainer nickte kurz. Maria zog ein großes schwarzes Notizbuch aus ihrer Jackentasche.
    »Sie heißen …?« Maria tat so, als suche sie in dem Notizbuch nach seinem Namen.
    »Slawko Dmitruk«, erwiderte der Ukrainer, der offenbar seine Kooperationsbereitschaft beweisen wollte. Er machte einen Schritt vom Eingang weg und zog die Feuertür fast zu. Dann suchte er in der Tasche nach seinem Ausweis und reichte ihn Maria. Nun bestand kein Zweifel mehr daran, dass er sich illegal im Land aufhielt. Der Ausweis war nicht in deutscher Sprache ausgestellt, sondern über seinem Foto standen kyrillische Buchstaben, und der gelbe Dreizack auf einem blauen Feld zeigte, dass es ein ukrainischer Ausweis war.
    »Ich nichts verbrochen«, beteuerte Slawko mit einem nahezu unverständlichen Akzent. »Ich in Deutschland bleiben wollen. Sein guter Arbeiter.«
    »Ich behaupte nicht, dass Sie ein Verbrechen begangen haben. Ich habe nur ein paar Fragen.«
    »Was fragen wollen?«
    »Ich will wissen, wie Sie hergekommen sind.«
    Slawkos Unbehagen schlug in deutliche Furcht um. »Ich nicht weiß, was meinen.«
    »Wie Sie aus der Ukraine hierhergekommen sind«, erklärte Maria in einem möglichst besänftigenden Tonfall. Sie sah, dass Slawko immer nervöser wurde, und sie wünschte sich Fabels Geschick, Spannungen abzubauen. »Sie brauchen keine Angst zu haben, Slawko. Niemand erfährt, dass ich die Information von Ihnen habe. Das verspreche ich Ihnen. Aber wenn Sie mir

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