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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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hatte. »Ich jetzt gehen. Ich nichts mehr wissen.«
    »Die Adresse«, befahl Maria. »Geben Sie mir die Adresse Ihrer Wohnung.« Slawkos deutliche Furcht veranlasste sie, beschwichtigend die Hände zu heben. »Keine Sorge, niemand wird etwas erfahren. Ich werde Ihre Wohnung nicht betreten und auch keine anderen Polizisten oder Leute von der Ausländerbehörde dort hinschicken. Ich möchte nur wissen, wie Viktor aussieht. Das ist alles. Sie können mir vertrauen, Slawko.« Er zögerte, bevor er Maria eine Adresse im Stadtteil Chorweiler nannte. Sie hatte versucht, sich die Karte von Köln einzuprägen, und rief sich die Lage des Viertels in Erinnerung.
    Slawko ging zurück in die Küche. Zwei weitere Slawen blickten von ihrer Arbeit auf und betrachteten Maria argwöhnisch. Sie verließ die Gasse und konnte den Gedanken an die Furcht in Slawkos Augen, an seine Scheu und seine hungrige, hagere Gestalt nicht verdrängen. Vor allem konnte sie nicht vergessen, dass sie ihm Zusicherungen gemacht und ihn aufgefordert hatte, ihr zu vertrauen. Genau wie sie Nadja, die junge Prostituierte in Hamburg, beschworen hatte, ihr Vertrauen zu schenken. Kurz bevor Nadja verschwunden war.

VIERTES KAPITEL

    21.–25. Januar

    1.

    Buslenko hatte angeordnet, dass sich das Team am Montagnachmittag in der Jagdhütte versammeln sollte. Er selbst war zwei Tage vorher in seinem Geburtsort Korostyschew eingetroffen, 110 Kilometer westlich der Hauptstadt. Dank dieser Entfernung war Buslenko recht zuversichtlich, vor der Mission eine ungestörte Einsatzbesprechung durchführen zu können.
    Die Stadt lag unter einer dichten Neuschneedecke und sah aus, als wären die Gebäude in Schutzlaken gehüllte Möbel, die auf Sommerbesucher warteten. Die vernünftigen Stadtbewohner blieben daheim oder überquerten zielstrebig den Tscherwona Ploschtscha – dunkle, geschäftige Flecke auf der weißen Fläche des Platzes. Buslenko gelang es, einen Piroggenverkäufer zu finden, der unternehmungslustig oder verrückt genug gewesen war, seine mit Paraffin geheizte Bude für gelegentliche Passanten aufzustellen. Die mit Fleisch gefüllten Teigtaschen von Korostyschew waren in der gesamten Ukraine berühmt.
    Buslenko spazierte zwischen den kahlen Kastanienbäumen hindurch zum Kriegerdenkmal. Hinter dem Obelisken stand eine Reihe aus Granit gemeißelter Gedenksteine – jeder mit dem Gesicht des Offiziers, der geehrt wurde. Buslenko war als Kind hierhergekommen, und sein Vater hatte ihm erklärt, dass diese Männer gestorben seien, um die Ukraine vor den Deutschen zu retten. Vierzehntausend hätten ihr Leben bei der Verteidigung der Stadt verloren. Der junge Taras war von den erstaunlich detaillierten Gesichtern und von dem Gedanken, die Ukraine wie der Kosak Mamai zu verteidigen, gebannt gewesen. Etliche Jahre später hatte sein Vater ihm erzählt, dass 1919 bei der erfolglosen Verteidigung der Ukraine gegen die Bolschewiki noch viel mehr Männer in Korostyschew gefallen seien. Für sie gab es keine Denkmäler.
    Buslenko setzte sich auf eine Bank und betrachtete seine Pirogge, bevor er tief in das Symbol seiner Kindheitserinnerungen hineinbiss. Dann betupfte er sich den Mund mit seinem Taschentuch.
    »Du bist spät dran«, sagte er, als spräche er zu dem gemeißelten Abbild des seit Langem toten Rote-Armee-Leutnants vor ihm.
    »Eindrucksvoll …«, erwiderte eine Stimme hinter Buslenko.
    »Das ist übertrieben.« Buslenko biss erneut in seine Pirogge. Das heiße Fleisch erwärmte sein Inneres. »Ich konnte schon aus zwanzig Meter Entfernung hören, wie du durch den Schnee gestapft bist. Bleib du bei deiner Arbeit, Papiere hin und her zu schieben und ehebrecherische Politiker auszuspionieren, und ich bleibe bei meiner.«
    »Der Ermordung von Menschen?«
    »Der Verteidigung der Ukraine«, korrigierte Buslenko mit vollem Mund. Er wies zu den Denkmalsskulpturen hinüber. »Wie sie. Was hast du rausgekriegt, Sascha?«
    Sascha Andruski, ein hagerer junger Mann in einem schweren Wollmantel und mit einer über die Ohren geklappten Pelzmütze, setzte sich neben Buslenko und schlug die Arme um den Leib, um sich vor der Kälte zu schützen.
    »Nicht viel. Ich glaube, die Sache ist ernst gemeint. Es wird keine offizielle Genehmigung für deinen Auftrag geben. Aber inoffiziell ist es wahrscheinlich eine fixe Idee der Regierung, Witrenko auszuschalten.«
    »Malarek?«
    »Soweit ich es feststellen kann, ist unser Freund, der Stellvertretende Innenminister, sauber. Falls er

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