Jan Fabel 04 - Carneval
verwechselt.«
Margaret Fabel schüttelte den Kopf. »Manchmal liefert Wissen nicht die beste Antwort, Jan. Das Bild ist das, wofür du es hältst, nicht das, was seine Geschichte aus ihm macht. So war es immer bei dir: Du musstest die Dinge herausfinden. Dass du Polizist geworden bist, ist gar nicht so erstaunlich, wie du meinst.«
Fabel warf einen weiteren Blick auf das Gemälde. Nicht Polizisten, sondern eine bewaffnete Miliz. Ein paar Tage vorher wäre er sicher gewesen, dass das Bild mehr mit Breidenbach, dem jungen MEK-Beamten, als mit ihm selbst zu tun hatte. Aber Breidenbach war für den Polizistenberuf gestorben, indem er sich einer Gefahr aussetzte, um gewöhnliche Bürger zu schützen.
Die beiden wechselten das Thema und sprachen eine Weile über Lex und sein Restaurant auf der Insel Sylt, das nun größeren Zuspruch hatte als seit Jahren. Dann erkundigte Fabels Mutter sich nach Susanne.
»Es geht ihr gut«, erwiderte er.
»Ist zwischen euch alles in Ordnung?«
»Warum denn nicht?«
»Ich weiß nicht …« Sie runzelte die Stirn, und Fabel bemerkte die sich vertiefenden Falten. Das Alter hatte sich an seine Mutter herangeschlichen, ohne dass es ihm aufgefallen war. »Du scheinst in letzter Zeit nicht mehr so oft über Susanne zu sprechen. Ich hoffe, dass alles gut ist. Sie ist ein wunderbarer Mensch, Jan. Es ist ein Glück für dich, dass du sie gefunden hast.«
Fabel stellte seine Tasse ab. »Erinnerst du dich an den Fall, an dem ich im letzten Jahr gearbeitet habe? Der Maria Klee so schrecklich strapaziert hat?«
Margaret Fabel nickte.
»Die Sache hatte einen terroristischen Aspekt. Ich musste Nachforschungen über anarchistische und linksradikale Gruppen anstellen, die mehr oder weniger in der Versenkung verschwunden sind. Man könnte sagen, dass ich in der Vergangenheit gewühlt habe.«
»Und was hat das mit Susanne zu tun?«
»Mir wurde eine Akte mit zusätzlichen Informationen geschickt. Eines der Fotos zeigte einen Mann namens Christian Wohlmut. Es wurde um 1990 aufgenommen, als der innere Terrorismus in Deutschland fast am Ende war. Wohlmut wollte ihn wiederbeleben. Er schickte Paket- und Briefbomben an amerikanische Niederlassungen in Deutschland. Amateurhafte Versuche, und die meisten Sendungen wurden vorher abgefangen oder explodierten nicht. Nur eine verstümmelte eine junge Sekretärin im Büro eines amerikanischen Ölkonzerns in München. In München war Wohlmuts Stützpunkt. Und dort hat Susanne studiert.«
»München ist eine große Stadt, Jan«, sagte seine Mutter. Ihre Miene zeigte, dass sie bereits etwas ahnte.
»Auf dem Foto von Wohlmut war auch ein Mädchen zu sehen. Das Bild war verschwommen, und sie wurde immer nur als die ›unbekannte Frau‹ bezeichnet.«
»Susanne?« Fabels Mutter stellte ihre Tasse zurück auf die Untertasse. »Nein! Glaubst du etwa, dass Susanne jemals in den Terrorismus verwickelt gewesen sein könnte?«
Fabel hob die Schultern und trank einen weiteren Schluck Tee. Durch den Zucker füllte sich sein Mund mit einer ekelhaften Süße. »Ich weiß nicht, welche Beziehung sie zu Wohlmut hatte. Jedenfalls ist sie sehr abweisend, geradezu verschlossen, wenn das Gespräch auf ihre Studienzeit kommt. Und in ihrer Vergangenheit gab es einen Mann, der manipulativ und herrschsüchtig gewesen sein soll. Ich habe als Erster vorgeschlagen, dass wir zusammenziehen … Susanne war wegen einer schlimmen Erfahrung anfangs vorsichtig.«
»Und du glaubst, es könnte dieser Terrorist gewesen sein – Wohlmut?«
»Ich weiß es nicht.«
»Und wenn es der Fall war? Welche Rolle spielt das heute noch? Wenn sie kein Unrecht begangen hat? Ich meine, irgendein Verbrechen?«
»Aber das ist der springende Punkt, Mutti … Ich werde nie sicher wissen, ob sie aktiv beteiligt war.«
»Du denkst doch nicht etwa daran, sie deswegen zur Rede zu stellen?«
»Sie weiß, dass etwas nicht stimmt, und sie setzt mir dauernd zu, um die Ursache herauszufinden. Die Dinge stehen nicht zum Besten zwischen uns, und ihr ist klar, dass ich Zeit schinde, damit wir noch nicht zusammenziehen.«
»Susanne arbeitet für die Polizei, Jan. Wenn sie früher so radikale politische Ansichten hatte, dann würde sie so etwas auch heute nicht tun.«
»Menschen ändern sich, Mutti.«
»Dann musst du sie akzeptieren, wie sie heute ist, Jan. Es sei denn …«
»Es sei denn?«
»… du suchst bloß einen Vorwand, um die Beziehung zu beenden.«
»Darum geht es mir nicht. Aber ich muss die Wahrheit
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