Jan Fabel 05 - Walküre
Weißwein.
»Er ist gar nicht so übel«, antwortete Karin Vestergaard. Sie lächelte Fabel zu, und ihm wurde bewusst, dass sie vorher nie eine Miene verzogen hatte. »Man muss sich nur an ihn gewöhnen.«
»Und ob ...« Susanne zog eine Augenbraue hoch und grinste wissend. »Wie gefällt Ihnen Hamburg?«
»Sehr gut. Seltsamerweise kommt es mir kaum ausländisch vor. Als wäre es ein Stück von Dänemark.«
»Sie haben heute selbst gesagt«, warf Fabel ein, »als Sie über Euro-Regionen sprachen, dass Hamburg etwas Nordisches an sich hat. Und im Moment sind wir in Altona. Es war eine selbstständige Stadt, bis es in den Dreißigerjahren des 20.Jahrhunderts durch das Groß-Hamburg-Gesetz zu einem Teil von Hamburg wurde. All das hier war mehr als zweihundert Jahre lang dänischer Boden. Und Hamburg selbst lag während des größten Teils seiner Geschichte unmittelbar an der dänischen Grenze.«
»Herrje, ermutigen Sie ihn bloß nicht«, warnte Susanne. »Sonst wird alles zu einer Geschichtsvorlesung. Aber ich weiß, was Sie meinen, Karin. Ich stamme aus dem Süden. Aus Bayern. Nach meinem Umzug nach Hamburg kam mir alles sehr skandinavisch vor. Obwohl die Hamburger dauernd darauf pochen, wie sehr sie den Engländern ähneln. Übrigens, kennen Sie Jans Spitznamen?«
»Ach, nicht die olle Kamelle«, stöhnte Fabel. »Manche nennen mich den englischen Kommissar, weil ich halber Brite bin. Eigentlich halber Schotte.«
Susanne lachte. »Nein, davon rede ich nicht. Ich wette, du hast diesen Spitznamen noch nie gehört. Lord Gentleman.«
»Wer nennt mich so?« Fabel schaute Susanne vorwurfsvoll an.
»Sehen Sie«, sagte Susanne an die Dänin gewandt. »Nun ist er beleidigt. Wissen Sie, dass er all seine Sachen in den englischen Läden von Hamburg kauft? Bevor ich ihn kennenlernte, habe ich Harris Tweed für einen Autor von Liebesromanen gehalten.«
Karin Vestergaard lachte. »Es ist wirklich seltsam.« Sie drehte Fabel den Kopf zu. »Auf dem Flughafen dachte ich, dass Sie wie ein Däne aussehen. Aber das trifft hier ja auf viele Leute zu.«
»Da irren Sie sich aber.« Fabel zeigte mit der Gabel auf sie. »Ich habe die blonden Haare vom schottischen Zweig der Familie.«
»Ich dachte, die Schotten seien alle rothaarig, hätten Rauschebärte und seien fast immer betrunken.«
»Nur die Frauen«, erwiderte Fabel.
»Deine Mutter wird von mir erfahren, was du gerade gesagt hast.« Susanne lächelte.
»Wie sind Sie zusammengekommen?«, wollte Karin Vestergaard wissen. »Wenn Sie mir die Frage nicht übel nehmen. Durch die Arbeit?«
»Ja, wir haben vor ungefähr vier Jahren gemeinsam an einem Fall gearbeitet. Hinter mir war er hartnäckiger her als hinter dem Mörder.«
»Wenn ich mich recht erinnere, hast du dir keine große Mühe gegeben, mir zu entkommen.« Fabel grinste und trank einen Schluck Wein.
»Wird die Arbeit nicht zu einem Hindernis? Ich meine, wenn man sowohl eine persönliche als auch eine berufliche Beziehung zueinander hat«, fragte die dänische Polizistin.
»Wir kämpfen dagegen an«, erwiderte Fabel. »Früher hatten wir die Regel, außerhalb der Arbeit nicht über fachliche Dinge zu sprechen. Daran halten wir uns immer noch im Großen und Ganzen. Aber natürlich lässt es sich manchmal nicht vermeiden. Außerdem ist Susanne nur an sehr wenigen meiner Fälle beteiligt, etwa an dem der Mörderin, die in St. Pauli ihr Unwesen treibt.«
»Ich glaube, das ist es, was bei Jens und mir schiefgegangen ist.« Karin Vestergaard starrte mit leerer Miene auf die Tischplatte.
»Sie und Jespersen?« Fabel stellte sein Weinglas ab. »Sie hatten eine persönliche Beziehung? Gott, es tut mir leid. Davon habe ich nichts geahnt.«
Sie lächelte schwach. »Wir haben uns vor rund vier Jahren getrennt. Wie ich erwähnt habe, war es für Jens schwierig zu akzeptieren, dass ich ihn beruflich überholt hatte. Jeder weiß, dass Dänemark ein sehr liberales Land ist. Neben Schweden und Finnland haben wir das höchste Maß an Gleichberechtigung auf der Welt. Aber die Statistik berücksichtigt den dänischen Charakter nicht. Jens war Jüte und sehr altmodisch. Vielleicht schmerzte es ihn einfach zu sehr, dass eine Frau ihn auf der Karriereleiter abgehängt hatte.«
»Ist die gemeinsame Arbeit dadurch nicht gestört worden?«, fragte Susanne. »Ich meine, nach der Trennung?«
»Eine Zeit lang waren wir in unterschiedlichen Abteilungen. Erst seit dem letzten Jahr waren wir wieder im selben
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