Jan Fabel 05 - Walküre
Bereich beschäftigt. Ja, es ist uns schwergefallen. Aber das hatte vor allem mit Jens' Arbeitsweise und seiner allgemeinen Einstellung gegenüber Vorgesetzten zu tun.«
»Jespersen scheint sich manchmal ein bisschen so wie Maria Klee verhalten zu haben«, kommentierte Fabel, an Susanne gewandt.
»Maria Klee?« Karin Vestergaard hob die Augenbrauen. »Die Beamtin, die ich erwähnt habe«, erläuterte Fabel. »Die einen völligen Zusammenbruch erlitt, nachdem sie einen persönlichen Kreuzzug begann.«
Das nun aufkommende Schweigen wurde erst beendet, als der Kellner die Bestellungen brachte.
»Verzeihung«, sagte Karin Vestergaard. »Ich habe Ihnen die Stimmung verdorben.« Sie hob ihr Glas und zwang sich zu einem Lächeln. »Lassen wir den Dienst außen vor. Einverstanden?«
»Einverstanden«, erwiderte Susanne.
Das Gespräch fand langsam wieder zurück in seichtere Gewässer und zu den Belanglosigkeiten, über die sich Menschen, die einander nicht gut kennen, zu unterhalten pflegen. Fabel beobachtete die Besucherin während der Plauderei. Er dachte an den Zorn zurück, den sie beim Anblick von Jespersen in der Leichenhalle nicht hatte unterdrücken können. Zorn, der sich gegen ihren toten Kollegen richtete. Gegen ihren toten Exgeliebten. Fabel begann, die dänische Kriminalistin ein wenig besser zu verstehen. Aber warum bereitete ihm das ein ungutes Gefühl?
9.
Es gab Dinge an Fabels Beruf, die ihm Freude machten, und andere, die er hasste. Und die Leitung einer Mordkommission war eine Verwaltungsaufgabe, die bürokratische Fähigkeiten und eine gewisse Pedanterie erforderte. Fabel war von Natur aus weder ein Bürokrat noch ein Pedant, jedenfalls nicht, wenn es um Papierkram ging.
Er hatte den Tag damit begonnen, dass er Werner in sein Büro rief. Werners schwere Statur und sein robustes Äußeres schienen in Konflikt mit dem methodischen Uhrmachergeist zu stehen, den der Hauptkommissar ihm zuschrieb. Im Laufe der Jahre hatte Fabel gelernt, sich auf Werners Detailgenauigkeit zu verlassen, und wann immer er seinem Team neue Aufgaben zuwies, holte er den Rat seines Stellvertreters ein.
Fabel hatte zusätzliche Mittel erbeten und erhalten, damit er die St.-Pauli-Morde untersuchen und gleichzeitig Ermittlungen über Jespersens Tod anstellen konnte. Offiziell sollte Fabel die Nachforschungen parallel durchführen, indem er auf jeden der Fälle ein Team ansetzte und beide lenkte. Das war übergeordnete Leitung oder Aufsichtsführung oder wie zum Teufel es sonst genannt wurde. Aber Fabel behagte diese Arbeitsweise nicht. Er war der Meinung, dass ein hoher Ermittlungsbeamter genau das tun solle: ermitteln. Doch die Polizei Hamburg hatte - wie Sylvie Achtenhagen unablässig unterstrich, wenn jemand eine Fernsehkamera auf sie richtete - die früheren Ermittlungen zum Engel-Fall verpatzt. Fabels Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass nun allen Formalitäten Genüge getan wurde.
»Lass Anna und mich den St.-Pauli-Fall bearbeiten.« Werner achtete mit linkischer Sorgfalt darauf, das Wort »Engel« nicht zu erwähnen, um seinen Chef nicht aufzubringen. Fabel war berühmt dafür, dass er die Comic-Namen verachtete, welche die Medien Serienmördern so gern anhängten. »Und lass Dirk Hechtner und Henk Hermann den dänischen Fall untersuchen. Wenigstens haben wir jede Menge andere Leute zur Verfügung. Wir scheinen ausnahmsweise genug Personal zu haben.«
»Es ist erstaunlich, was die falsche Art von Publicity ausrichten kann«, meinte Fabel grimmig.
»Zynismus steht dir nicht, Chef«, meinte Werner. »Wir alle lieben dich wegen deines brillanten Witzes und deines fröhlichen Wesens.«
»Da du gerade deinen überwältigenden Respekt vor mir unter Beweis stellst - habe ich hier einen neuen Spitznamen?«, fragte Fabel.
Werner zuckte die Achseln.
»Weißt du, dass mich anscheinend ein paar Leute Lord Gentleman nennen. Das soll ein großer Jux darüber sein, dass ich halber Brite bin.«
»Wahrscheinlich hat es mehr mit deiner Garderobe zu tun«, widersprach Werner und fuhr rasch fort: »Mir ist das neu.«
Bevor Werner das Zimmer verließ, hatten sie einen umfassenden Ermittlungsplan für beide Fälle ausgearbeitet. Die St.-Pauli-Untersuchung lief bereits, doch die Ermittlungen im Fall Jespersen hatten noch keine Gestalt angenommen und stützten sich eher auf Ideen und Mutmaßungen als auf irgendwelche Beweise. Eine weitere leere Seite in Fabels
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