Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Jan Fabel 06 - Tiefenangst

Titel: Jan Fabel 06 - Tiefenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
real?«
    »Ist was real? Ich glaube, Sie sollten sich helfen lassen.« Frank schaute sich nach einem Angestellten um.
    »Ist es real?«, wiederholte der Mann mit monotoner Stimme.
    »Was? Die Brücke? Natürlich ist die Brücke real. Alles hier ist eine Nachbildung der Realität.«
    »Eine Nachbildung? Alles ist eine Nachbildung?« Der junge Mann blickte jäh auf, und Frank sah zum ersten Mal die ganze Aufgewühltheit in seinen Augen. Einen Sturm aus Wut und Furcht und Verwirrung. Nun wurde es Frank unbehaglich zumute. Er entfernte sich so unauffällig wie möglich von dem jungen Mann und hielt Ausschau nach jemandem vom Personal.
    »Ist es real?«, brüllte der junge Mann hinter Frank her. Alle anderen im Ausstellungsraum blieben stehen und reckten den Kopf, um den Rufer ausfindig zu machen. Als Frank sich umdrehte, blickte er in den Lauf einer Automatik, die in den ausgestreckten Händen des Mannes zitterte. Nun liefen ihm Tränenbäche über die Wangen. »Sie … sollen … mir … sagen … Ist es real?«
    »Ist was real?«, stieß Frank trotz seiner Panik hervor. Über die Schulter des jungen Mannes hinweg entdeckte er einen Angestellten, der in ein Walkie-Talkie sprach. »Meinen Sie die Brücke? Oder meinen Sie alles hier?«
    »Ist es real?«, wiederholte der andere, ruhiger diesmal, doch sorgfältig mit dem Lauf der Pistole auf ihn zielend.
    »Natürlich ist es nicht real!«, rief Frank nun. »Es ist bloß ein Modell. Eine Vorspiegelung.«
    Die Augen des jungen Mannes weiteten sich, und Frank wartete auf die Explosion. Die Zeit hatte sich verlangsamt, jede Sekunde war durch Adrenalin gedehnt, und er fragte sich unwillkürlich, ob er die Pistole hören oder ob er tot sein würde, bevor sein Gehirn den Klang registrieren konnte.
    »Es ist nicht real?«, schluchzte der Mann.
    »Nein. Natürlich nicht.«
    Frank zuckte zusammen, als der junge Mann auf ihn zurannte, ihn zur Seite stieß und durch die Schreie der Menge hindurch zum Ausgang eilte.
    Plötzlich bemerkte Frank, wie seine Beine nachgaben, und er hielt sich am Geländer fest. Er hatte die Fahrbahn der Köhlbrandbrücke im Blickfeld, und ein handbemalter Umweltschützer starrte ihn herausfordernd an.
     
    Passenderweise lag das Büro von Seamark International in der HafenCity. Allem Anschein nach war es ein kleines Unternehmen. Die Büroräume waren bescheiden, kündeten jedoch, wie die übrige HafenCity, vom neuen Jahrhundert und seinen Verheißungen. Allerdings bestanden sie nur aus dem Empfang und drei Zimmern.
    »Ich habe Sie erwartet«, sagte Flemming, als Fabel und Werner eintraten. »Bitte, nehmen Sie Platz.«
    »Und was macht den größten Teil Ihrer Geschäfte aus?«, fragte Fabel, nachdem die Empfangsdame ein Tablett mit drei Tassen Kaffee hereingebracht hatte. »Die maritime Sicherheit oder die Entprogrammierung von Sektenmitgliedern?«
    Flemming lächelte. »Sie haben also von meinem Hobby erfahren?«
    »Rettung und Entprogrammierung von Sektenmitgliedern? Ja. Eine interessante Nebenbeschäftigung.«
    »Ich tue es nicht des Geldes wegen. Mir reicht es, wenn meine Spesen gedeckt sind. Und in manchen Fällen ist mir auch das egal. Ich hasse Sekten und das, was sie Menschen antun.«
    »Und gilt Ihr besonderes Interesse dabei dem Pharos-Projekt, Herr Flemming?«
    »In letzter Zeit – wahrscheinlich. Wir leben in seltsamen Zeiten, Herr Fabel. Die meisten religiösen, philosophischen und politischen Gewissheiten sind auf der Strecke geblieben. Christentum, Marxismus, Nationalismus … Alles wandelt sich, wird zunehmend technologisiert, globalisiert und beschleunigt. Die Menschen fühlen sich überrollt und suchen in immer abstrakteren Ideen nach irgendeiner Sinngebung. Das Pharos-Projekt hat einen sehr cleveren Ansatz, der besonders labile Menschen anfällig macht. Meiner persönlichen Meinung nach ist es die gefährlichste Sekte auf dem Planeten.«
    »Und Herr Kebir glaubt, dass Meliha rekrutiert und einer Gehirnwäsche unterzogen worden ist?«
    »Nein. Leider sind wir alle ziemlich sicher, dass man Meliha ermordet hat. Sie war keine Anhängerin, sondern ein Eindringling. Aber ich werde nicht aufhören, nach ihr zu suchen, bis wir Bescheid wissen. Es könnte ja sein, dass sie doch noch irgendwo am Leben erhalten wird.«
    »Sie hatte eine Beziehung mit Berthold Müller-Voigt. Seiner Überzeugung nach hat sie ein Geheimnis entdeckt, das dem Pharos-Projekt erheblichen Schaden zufügen könnte. Glauben Sie, dass Meliha einer großen Sache auf der

Weitere Kostenlose Bücher