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Jan Fabel 06 - Tiefenangst

Titel: Jan Fabel 06 - Tiefenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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eine Situation besitzen würde.
    Fabel, Werner und Brüggemann gingen an Bord des ersten Bootes der Hafenpolizei. Es war ein Festrumpf-Schlauchboot, das, den Bug aus dem Wasser hebend, durch den Fluss jagte und über jedes Kräuseln einer Welle hinweghüpfte. Die Flottille blieb dicht am Ufer, um den Augenblick der Entdeckung so lange wie möglich hinauszuzögern.
    »Alles klar, Jan?«, rief Werner über das Heulen des Motors hinweg. Fabel, die Kiefer starr zusammengebissen, saß geduckt da und hielt sich an den Seiten seines Sitzes fest.
    »Natürlich. Nur mit dem Wasser habe ich Schwierigkeiten.«
    Der Pharos war von der Flussseite her noch beeindruckender. Das Boot schob sich in einem kleinen Bogen in den Fluss vor und jagte zwischen zwei der zwölf Stützpfeiler und unter der auf das Wasser hinausragenden Etage hindurch, auf der Peter Wiegand sein Büro hatte.
    In der Mitte, im Schutz des Gebäudes, befand sich eine Anlegestelle. Zwei Konsolidierer in grauen Anzügen beobachteten die sich nähernden Polizeiboote. Einer der beiden führte ein Gespräch, aber nicht mit seinem Gefährten, und Fabel vermutete, dass ihre Ankunft im Hauptgebäude gemeldet wurde.
    An der Anlegestelle erhielt Fabel eine Funknachricht von Anna: Ihr Team hatte das Haupttor passiert und war zum Vordereingang unterwegs.
    Die MEK-Beamten sicherten die Anlegestelle. Sie zwangen die Konsolidierer, sich umzudrehen und sich an die Wand zu stützen, um sie nach Waffen zu durchsuchen. Nichts.
    »Das bedeutet nicht, dass die anderen unbewaffnet sind«, sagte Fabel. »Geht kein Risiko ein.«
    Polizeirazzien sind durch eine gezügelte Gewalt gekennzeichnet, die Dominanz und Kontrolle herstellen soll. Für unbeteiligte Zuschauer, die darin verwickelt werden, ist es eine traumatische Erfahrung. Doch während Fabel und seine Leute durch das Gebäude rannten und jeden Konsolidierer, dem sie begegneten, überwältigten, sahen die Sektenmitglieder völlig passiv zu, wie die Polizisten von Raum zu Raum vordrangen. Es kam zu keiner Panik. Am meisten beunruhigte Fabel, dass niemand über einen Bildschirm gebeugt dasaß und sich verzweifelt bemühte, Daten zu löschen.
    Peter Wiegand wartete wie bei ihrem letzten Gespräch in seinem Büro auf sie. Er saß mit bemühtem Gleichmut an seinem riesigen Schreibtisch. Sein Sicherheitschef, Frank Bädorf, stand mit verschränkten Armen neben ihm wie ein Butler, der auf Anweisungen wartete.
    »Ich nehme an, Sie möchten die Unterredung führen, die Sie bei Ihrem letzten Besuch erwähnt haben, Herr Fabel«, sagte Wiegand mit einem schwachen, höflichen Lächeln; es deutete an, dass er Fabel für ein wenig ermüdend hielt. »Die in Ihrem Büro …«
     
    Obwohl er sich nun in einem Vernehmungszimmer im Präsidium der Polizei Hamburg befand, gelang es Peter Wiegand irgendwie, Autorität auszustrahlen und als Beherrscher seiner Umgebung zu erscheinen. Er saß gefasst und gepflegt wie immer auf seinem Stuhl. Wiegands Gepflegtheit ging weit über seine maßgeschneiderte Kleidung hinaus. Sein Bart war makellos gestutzt, sein geschorener Kopf glänzte. Er war ein recht kleiner, untersetzter Mann, doch er wirkte kompakt und bewegte sich mit körperlicher Gewandtheit.
    Neben Wiegand saß eine attraktive Frau von Anfang vierzig. Sie hatte dunkelblonde, zu einer Hochsteckfrisur gebändigte Haare und trug ein Geschäftskostüm, das bestimmt keine einzige synthetische Faser enthielt und wahrscheinlich mehr gekostet hatte, als Fabel in einem Monat verdiente. Er erkannte Amelie Harmsen auf den ersten Blick, obwohl sie keine Anwältin war, der er häufig begegnete. Sie gehörte zur Anwaltsprominenz der Hansestadt und war bekannter für die Höhe des Schadenersatzes, den sie für ihre berühmten Mandanten erstritt, als für ihr Auftreten in Strafprozessen. Harmsen war unzweifelhaft kein indoktriniertes Mitglied des Pharos-Projekts und vertrat Wiegand den Milliardär, nicht Wiegand den Sektenführer.
    »Ich möchte wissen, wie lange Sie meinen Mandanten festhalten wollen, Leitender Hauptkommissar«, begann Harmsen. »Und wenn Sie etwas haben, das Sie Herrn Wiegand anlasten wollen, dann möchte ich es hören. Auf der Stelle.«
    »Genau wie ich, Herr Fabel«, setzte Wiegand mit derselben Andeutung gelangweilten Desinteresses hinzu.
    Fabel lächelte höflich. Werner reichte ihm eine Akte, die er gerade vor sich auf den Tisch legte und durchzublättern begann.
    »Das ist eine sehr interessante Lektüre«, sagte er im Plauderton. »Wussten

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