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Jan Fabel 06 - Tiefenangst

Titel: Jan Fabel 06 - Tiefenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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uns … unserem Problem  … widmen, bevor er noch etwas unternimmt, um dem Projekt zu schaden. Wie lauten Ihre Anweisungen?«
    Wiegand klickte erneut ein Bild nach dem anderen an. »Nichts Übereiltes. Dies erfordert Planung. Er muss unbedingt gestoppt werden, aber nicht so, dass eine Spur zu uns führt.«
    »Wenn ich einen Vorschlag machen darf, Herr Direktor: Vielleicht sollte Mister Korn unterrichtet werden.«
    »Sie reden mit mir, Bädorf. Das ist das Gleiche. Ich möchte, dass Sie sich etwas Diskretes und Effektives einfallen lassen. Etwas Bahnbrechendes . Sind Sie dazu in der Lage?«
    »Bestimmt, Herr Direktor. Wir verfügen über verschiedene Mittel, die man nicht direkt mit uns in Verbindung bringen kann. Ich werde unsere Alternativen prüfen und Ihnen Bericht erstatten.«
    Nachdem Bädorf das Büro verlassen hatte, schwenkte der Direktor seinen Sessel zur Glaswand herum. Die Farbe des Himmels war subtil in ein grüneres Grau übergegangen und deutete nun auf Turbulenzen hin. Vielleicht zog ein weiterer Sturm herauf.

7.
     
    Ein Moment der Ruhe vor dem Sturm.
    Still im Auto sitzend, lauschte Fabel seiner Musik und sah durch die Windschutzscheibe zu, wie sich der Regen zu einem Nieseln abschwächte. Er wusste, was ihn erwartete.
    Dies war sein Geschäft, sein Beruf. Den Tod zu betrachten, um ihn zu verstehen. Aber es spielte keine Rolle, wie oft er den Tod – den gewaltsamen Tod – vor sich sah; er wühlte ihn trotzdem auf. Vielleicht nicht so sehr wie vor zehn, fünfzehn Jahren und vor zahllosen Fällen, aber es war immer noch da: das vage Beben in seinem Innern, ausgelöst durch eine natürliche Kampf-oder-Flucht-Reaktion, die irgendwo im ältesten Teil des menschlichen Gehirns entfacht wird. Besonders wenn eine Menge Blut den Tod begleitet. Etwas verdrängt die Vernunft, wenn viel Blut vergossen wird. Und später, lange nachdem er den Schauplatz verlassen hatte, kehrten die Bilder der Toten zu ihm zurück. Ungebeten und in den unpassendsten Momenten: bei einer Mahlzeit, beim Sex, bei der Unterhaltung mit Freunden.
    Jan Fabel nahm sich einen Moment Zeit, blieb mit abgeschalteten Scheibenwischern im Auto sitzen und beobachtete den zähflüssigen Regen, der nun wieder an die Scheibe trommelte. Der Tag war grau: der Himmel, das Wasser, die Gebäude mit ihren Grafittönen. Ein grauer Moment des Friedens.
    Die Musik schien perfekt zu seiner Stimmung – und dem Wetter – zu passen: das Esbjörn Svensson Trio aus dem MP3-Player, den er an die BMW-Lautsprecheranlage angeschlossen hatte. From Gagarin’s Point of View . Ein prächtiger Titel. Ein prächtiges Stück für die Grafittöne dieses Hamburger Morgens. Angenehm melancholisch auf eine Art, wie sie anscheinend nur die Skandinavier zustande brachten.
    Kalte, feuchte Fingerknöchel pochten an das Beifahrerfenster und ließen ihn aus seinem grauen Frieden aufschrecken. Er öffnete das Fenster, und die kalten Nadelspitzen des Regens stachen in seine Haut.
    »Kommst du bald, Chef?« Anna Wolff lehnte sich ins Fenster und verzog das Gesicht in der Kälte. Ungeduldig. Anna hatte immer hübsch und frisch ausgesehen: mit dunklen Augen und dunklem, kurz geschnittenem Haar. Mädchenhaft. Aber hier im Regen deutete etwas auf eine künftige, ältere Anna hin: auf eine Frau, deren typische Energie gezügelt war. Fabel spürte den subtilen Wandel und fühlte sich schuldig. Dann, als sie vom Auto zurücktrat, fiel ihm ihr leichtes Hinken auf, und ihm war noch schlechter zumute. Das Team hatte im Laufe der Jahre mehr als seinen Anteil an Opfern hinnehmen müssen.
    »Du siehst wirklich munter aus«, sagte sie, als er aus dem Wagen stieg.
    »Also, womit haben wir es zu tun, Anna?«
    »Wie gesagt, mit einer angespülten Leiche. Und sei gewarnt: Sie stinkt. Das Katastrophenabwehrteam, das hier arbeitete, hat sie gefunden. Der Leiter ist ein Mann namens Kreysig.«
    »Lars Kreysig?«
    »Du kennst ihn?«, fragte Anna.
    »Besser gesagt, ich weiß von ihm, aber ich bin ihm auch schon begegnet. Er ist eine Art Legende im Hamburger Feuerwehrdienst. Viele Menschen würden heute nicht mehr atmen, wenn Kreysig nicht ihre Haut gerettet hätte. Buchstäblich. Ist er noch hier?«
    »Wir haben ihn gebeten, bis zu deiner Ankunft zu warten. Was war das für ein Mist, den du dir im Auto angehört hast?«
    Fabel blieb stehen und wandte sich Anna zu. »Du hast keine Seele, Kommissarin Wolff, weißt du das? Kein Verständnis für die schöneren Dinge im Leben. Lass mich in Ruhe, Anna …

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