Jan Fabel 06 - Tiefenangst
Morgen nicht über die Elbchaussee fahren«, meinte Susanne.
»Trotzdem könnte es auf der Strecke zum Flughafen Probleme geben. Womöglich wird der Verkehr durch die Umleitungen dichter. Wir müssen ein bisschen früher aufbrechen«, erwiderte Fabel und schaute demonstrativ auf seine Uhr.
Susanne verzog das Gesicht und widmete sich wieder genüsslich ihrem Kaffee.
»Ich rufe lieber in Fuhlsbüttel an, um die Flugzeiten zu checken.« Fabel griff nach dem Telefon.
»Warum denn?«, fragte Susanne, die Kaffeetasse am Mund. »Mach’s doch online.«
»Man kann nie wissen, wann diese Dinge aktualisiert werden«, sagte Fabel. »Mit einem Menschen hat man wenigstens …«
Susanne schnaubte. »Mit einem Menschen? Wir reden doch von jemandem, der in einem Flughafen arbeitet. Glaub mir, der Computer ist weniger roboterhaft. Also gut, ich kümmere mich darum, wenn ich angezogen bin. Ich verstehe einfach nicht, warum du so technikfeindlich bist.«
»Ich bin nicht technikfeindlich«, murmelte Fabel. »Ich bin traditionell . Aber ich will gern zugeben, dass ich nicht gerade begeistert vom digitalen Zeitalter bin. Nehmen wir den sogenannten Network-Killer, hinter dem wir her sind … Oder das Chaos, das durch das Vertrauen auf Computer ausgelöst wird. Wir haben alle möglichen Memos über das Klabautermann-Virus erhalten, das ins E-Mail-System der Stadt Hamburg eingehackt worden ist.«
Susanne lachte. »Man kann ein Virus nicht einhacken . Wieso hast du eigentlich überlebt, als der Meteor aufprallte?«
»Was für ein Meteor?«, fragte Fabel gereizt.
»Du weißt doch: derjenige, der all die anderen Dinosaurier ausgerottet hat …« Susanne lachte über ihren Scherz. »Egal, nach meinen Informationen hat das Klabautermann-Virus die Sicherheit der Polizei Hamburg nicht gefährdet. Wir haben es auch im Institut für Rechtsmedizin, und es ist eine Plage, das muss ich zugeben. Aber wir konnten Kopien von all unseren E-Mails machen, bevor es zuschlug.«
»Ich habe eine einfachere Lösung. Sie hat mit Ausdrucken und Papier zu tun.«
»Tatsächlich?« Susanne setzte ihre Tasse ab und schlenderte mit schwingenden Hüften an ihm vorbei. »Dann brauchten wir uns keine Sorgen mehr über Klabautermann-Viren oder Systemabstürze zu machen … sondern nur über kleine Bücherwürmer wie dich, stimmt’s, Schatz?« Sie zerzauste im Vorbeigehen sein Haar. Fabel runzelte die Stirn.
Es hatte aufgehört zu regnen, als Fabel und Susanne sich der Stelle näherten, wo er sein BMW-Cabriolet geparkt hatte, aber der Himmel, der die Farbe von Schiffsstahl hatte, war finster und schwer.
»Noch ein beschissener Tag«, sagte Susanne düster. Sie schloss die Autotür und fluchte, als Regenwasser vom Dach in ihr Haar tröpfelte. »Diese Kiste hat ein Leck, weißt du das?«
»Das ist nie ein Problem gewesen«, murrte Fabel. »Bei meiner alten Wohnung hatte ich einen überdachten Parkplatz.«
Susanne ignorierte seine Bemerkung. »Du solltest wirklich daran denken, den Wagen gegen einen neuen in Zahlung zu geben. Er ist bestimmt schon zehn Jahre alt. Du lässt dich dauernd über die Umwelt aus, aber dieses Auto kann nicht so benzinsparend oder umweltfreundlich sein wie die heutigen Modelle.«
»Es erfüllt seinen Zweck«, erwiderte Fabel und manövrierte den Wagen aus der Parklücke hinaus. »Außerdem sehe ich nicht ein, weshalb es umweltfreundlich sein soll, sich ständig neue Autos zu kaufen. Aber wenn du so grün bist, weshalb fliegst du dann nach Frankfurt? Du hättest mit dem Zug fahren können.«
»Du bist der Baumliebhaber, nicht ich.« Sie grinste boshaft. »Wahrscheinlich weil du kaum einen Baum gesehen hast, als du auf den guten alten Ebenen von Ostfriesland groß geworden bist. Der Wind muss sie alle umgeblasen haben.«
»Wir hatten Bäume. Vielleicht nicht so viele wie bei euch im finstersten Bayern, aber wir hatten Bäume.«
»Wir erst recht«, sagte Susanne. »Ganze Wälder voll. Und Berge. Du weißt doch, was ein Berg ist, Friesenjunge? Ein wirklich, wirklich, wirklich großer Deich.«
»Sehr komisch.«
»Es überrascht mich, dass du nach Hamburg gezogen bist. Hier sind wir doch mindestens zwei Meter über dem Meeresspiegel. Blutet dir nicht die Nase?«
Fabel lachte. »Wenn Leute wie du dauernd Inlandflüge machen, werden wir schon früh genug unter dem Meeresspiegel sein.«
»Und ich werde mit dem Schiff reisen. Oder mit einem U-Boot.« Susanne stimmte die Melodie von Yellow Submarine an und lächelte
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