Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Jan Fabel 06 - Tiefenangst

Titel: Jan Fabel 06 - Tiefenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
im Irrtum, nicht er.
    Harald hatte entgeistert ausgesehen, als Niels wieder die Pistole auf ihn gerichtet und ihn aufgefordert hatte, sich ans Ende des Piers zu stellen – genau dorthin, von wo Niels gerade das Motorrad ins Wasser gestoßen hatte. Harald war seinem Befehl gefolgt. Dies allein ist der Beweis dafür, hatte Niels gedacht, dass Harald nicht existiert oder zumindest nicht in einem realen Sinn. Er musste gewusst haben, was ihm dort am Ende des Piers zustoßen würde, doch er hatte nicht den geringsten Widerstand geleistet.
    Niels hatte sich lachen hören. Da er noch nie eine Pistole benutzt hatte, war Harald, der nun auf dem Boden kauerte und weinte wie ein Kind, von den ersten drei Kugeln verfehlt worden. Niels war seufzend auf Harald zugegangen und hatte die Pistole aus weniger als einem Meter Entfernung auf dessen Kopf gerichtet. Dann hatte er vier Kugeln in Haralds Schädel gefeuert und ihm einen Stoß versetzt.
    Nun sah er zu, wie Haralds gekrümmter Körper rückwärts vom Pier in die Elbe kippte. Der tote Ökoterrorist trieb davon, und von seinem Kopf zog sich eine purpurrote Fahne durch das trübe Wasser. Es war Energieverschwendung gewesen, die Helme so weit hinauszuschleudern und sich dabei die Schulter zu verrenken. Offensichtlich verlief dicht am Pier eine Strömung, die sie ohnehin elbabwärts getrieben hätte.
    Das war das Problem mit dieser falschen Realität: Man konnte sich nie auf die Logik ihrer physikalischen Gesetze verlassen.

17.
     
    Poppenbüttel liegt im Norden der Stadt, an der Grenze zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein und gehört zum Alstertal im Bezirk Wandsbek. Dies ist eine weitere Gegend, die während der verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung bald zu Deutschland, bald zu Dänemark gehört hat. Es gehört zu den grüneren Wohngegenden Hamburgs, die von Parklandschaften durchbrochen sind.
    Die Poppenbütteler Schleuse bietet der Stadt seit zweihundert Jahren zwei Dienstleistungen. Ihre Hauptfunktion hat immer darin bestanden, das Flüsschen Alster zu regulieren und für einen konstanten Wasserstand im Zentrum zu sorgen. Aber man kennt sie am besten wegen ihrer zweiten Rolle: Vor den Toren der Poppenbütteler Schleuse hat sich ein winziger Stausee gebildet – fast eine Miniaturversion der Kleinen, Außen- und Binnenalster. An Wochenenden und an Feiertagen mieten sich Besucher dort bei freundlichem Wetter ein Boot, um auf der Alster zu paddeln. Ein dichter Baumvorhang und das Grün des Hennebergparks bieten Schutz.
    Während Fabel seinen Wagen parkte, dachte er, dass dies der ideale Ort war, um eine Leiche loszuwerden: durch ein Straßennetz leicht erreichbar und doch abgeschieden.
    Die Schutzpolizei hatte den Fundort der Leiche bereits abgesperrt, aber Holger Brauner und sein Team waren noch nicht eingetroffen, um ein Spurensicherungszelt zu errichten. Fabel hatte sein Auto unweit des Saseler Damms neben einem Bootsverleih abgestellt. Am Ufer kam er an zwei uniformierten Beamten vorbei, die in ruhigem Tonfall mit einem blassen Mann mittleren Alters sprachen. Der klammerte sich an eine Angelrute, als wäre sie eine Rettungsleine.
    Werner Meyer wartete auf dem Treidelpfad neben dem See auf Fabel. Hinter ihm, zwanzig Meter weiter, lag, mit dem Gesicht nach unten, der nackte Körper einer jungen Frau. Ihr Kopf war zur Seite gedreht, und ihr nasses Haar zog sich in Strähnen über ihr Gesicht. Im Unterschied zu dem Rumpf, den der Sturm angeschwemmt hatte, war dies eine Frau, die man genauer betrachten musste, um festzustellen, dass sie tatsächlich tot war. Wäre das trüb-kalte Wetter nicht gewesen, hätte man sie für eine Sonnenbadende halten können.
    »Ich nehme an, unser Freund mit der Angelrute hat sie gefunden?«
    »Stimmt«, sagte Werner. »Wo warst du? Ich habe versucht, dich über dein Handy anzurufen, aber ich habe keine Verbindung bekommen.«
    »Wirklich?« Fabel runzelte die Stirn. »Es war den ganzen Morgen an. Wer hat sie rausgefischt?«
    »Zwei Schutzpolizisten vom hiesigen Revier. Der Angler hatte seinen Fund über sein Handy gemeldet. Die Kollegen vermuteten, es sei vielleicht Selbstmord, aber dann sahen sie die Spuren an ihrem Hals und an ihrer Kehle. Außerdem haben natürlich alle den Network-Killer im Kopf.«
    »Gucken wir sie uns an.« Fabel griff nach den Latex-Handschuhen, die Werner ihm hinhielt, und streifte sie sich über. Dann hoben sie das Absperrband an und traten hindurch. Fabel hockte sich neben die Leiche und schob ihr die dunklen

Weitere Kostenlose Bücher