Jan Fabel 06 - Tiefenangst
unaufhörlich durch den Kopf huschte – von der Frau auf Müller-Voigts Foto –, hatten ihn die halbe Nacht wachgehalten.
»Na, du siehst ja richtig beschissen aus«, lautete Werners Begrüßung, als Fabel aus dem Lift trat. »Kater?«
»Schön wär’s«, erwiderte Fabel. »Schlaflose Nacht. Wie geht’s mit dem Network-Killer-Fall voran? Haben wir schon Durchsuchungsbeschlüsse?«
»Anna meint, dass wir heute Nachmittag bei vier Adressen aktiv werden sollten. Sie schlägt vor, alle gleichzeitig um 15 Uhr aufzusuchen. Es wäre gut, wenn wir an jeder Adresse ein paar Schutzpolizisten hätten.«
»Dafür werde ich sorgen.«
Anna Wolff kam aus dem Büro, das sie sich mit Henk Hermann teilte, und begrüßte Fabel.
»Du siehst schrecklich aus …«
»Das haben wir schon hinter uns«, meinte Werner. »Er behauptet, dass ihn die Last seines Intellekts gestern Nacht wachgehalten hat, aber ich würde auf eine Flasche Maltwhisky wetten.«
»Wenn du nun deinen Spaß gehabt hast …«, meinte Fabel. »Übrigens, hast du mir gestern eine SMS geschickt?«
»Ich?« Werner zog die Brauen zusammen. »Nein … war ich nicht.«
»Und du, Anna?«, fragte Fabel.
»Ich auch nicht, Chef. Ist es etwas Wichtiges?«
»Keine Ahnung. Nein, wahrscheinlich nicht. Darin stand nur: ›Poppenbütteler Schleuse‹.«
»Vermutlich ein Versehen«, sagte Anna. »Kennst du jemanden in Poppenbüttel?«
»Nicht, dass ich wüsste. Kann ich kurz mit euch sprechen?«
Werner und Anna folgten Fabel in dessen Büro. »Ich weiß, dass wir zurzeit unter Druck stehen, aber ich muss heute Morgen ein, zwei Dinge überprüfen«, erklärte er. »Ihr könnt mich über mein Handy erreichen, wenn ihr mich braucht. Bevor ich verschwinde, werde ich die Schutzpolizisten für die Razzien heute Nachmittag organisieren. Wenn sie um 14.30 Uhr antreten, könntest du sie dann ins Bild setzen, Anna?«
»Kein Problem. Hier sind die vier Adressen. Leider verteilen sie sich über die ganze Stadt. Übrigens, Kriminaldirektor van Heiden will mit dir reden. Er hat vor ungefähr einer Viertelstunde angerufen.«
»Okay.« Fabel schoss der Gedanke »Was denn nun schon wieder?« durch den Kopf. »Ich habe etwas, das ihr beide für mich checken könntet. Vielleicht hat es keine Beziehung zu unserer Arbeit, aber ich brauche Einzelheiten über eine Organisation namens Pharos-Projekt. Im Moment ist es erst eine vage Vermutung, aber vielleicht besteht eine Verbindung zu der Wasserleiche von gestern. Ich habe einen neuen Freund beim BfV, und ich werde auch ihn fragen, ob er mir Informationen über Pharos liefern kann. Habt ihr schon davon gehört?«
Werner, der immer noch in sein Notizbuch schrieb, schüttelte den Kopf. »Faros mit F oder mit Ph?«
»Ph, nach griechischer Art«, antwortete Fabel. »Und die Leitung hat ein gewisser Dominik Korn.«
»Ich habe davon gehört«, sagte Anna. »Ich dachte, es sei eine Umweltschutzgruppe wie Greenpeace.«
Fabel lachte. »Davon kann keine Rede sein. Ich bin Mitglied von Greenpeace, aber ich würde dem Pharos-Projekt meilenweit fernbleiben. Es hatte einen legitimen Beginn, aber nun sieht es eher nach einer manipulativen Sekte aus.«
»Ich informiere mich darüber«, sagte Anna und grinste Werner an. »Wenigstens kann ich es buchstabieren.«
»Noch etwas, das ich wissen sollte, bevor ich losfahre?«, fragte Fabel.
»Nur, dass wir einen möglichen Mord im Schanzenviertel haben. Wir warten auf die Nachricht, ob er wieder auf die Beine kommt. Der arme Kerl hat sechzigprozentige Verbrennungen.«
»Was ist passiert?«
»Eine der Autoabfackelungen ist danebengegangen.«
»Eine Abfackelung?« Fabels Stimmung verfinsterte sich, als er an sein Gespräch vom Vortag mit Menke zurückdachte. »Und jemand schwebt in Lebensgefahr?«
»Der Besitzer rannte raus, als er sein Auto brennen sah«, erläuterte Werner, »aber die Täter hatten Behälter mit Kerosin in den Wagen geworfen. Sie entzündeten sich, als der Pechvogel danebenstand. Allem Anschein nach wurde er zu einer menschlichen Fackel.«
»Toll«, sagte Fabel. »Nun kann ich mir denken, warum Kriminaldirektor van Heiden so früh angerufen hat. Am besten melde ich mich bei ihm. Wir treffen uns wieder hier um halb zwei, um die Razzien vorzubereiten.«
Nachdem Werner und Anna sein Büro verlassen hatten, griff Fabel nach dem Adressenverzeichnis und rief die Einsatzzentrale des Präsidiums an, um jeder Razzia die nötigen Mittel zuteilen zu lassen. Er erklärte, dass an jeder
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