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Jan Fabel 06 - Tiefenangst

Titel: Jan Fabel 06 - Tiefenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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verspottet. Die Jungen hatten unanständige Witze und ekelhafte Bemerkungen über ihren Umfang gemacht, und als sie der Quälerei endlich überdrüssig wurden, war der Schaden angerichtet. Nach dem Film hatten Roman und Elena sich voneinander verabschiedet und gewusst, dass sie einander nie wiedersehen würden. Es war an dem Blick abzulesen, den diesmal keiner der beiden unterdrücken konnte. Einem Blick des gegenseitigen Abscheus.
    Danach hatte sich Roman immer mehr von der realen Welt gelöst. Damals hatte er auch die Arbeit in dem Computerladen aufgegeben. Er hatte die Kunden wegen ihrer Unwissenheit und Dummheit verachtet, und sein Benehmen ihnen gegenüber war so feindselig geworden, dass es zu Beschwerden gekommen war. Ohnehin verdiente er abends illegal fünfmal so viel wie in dem Geschäft. Durch seine Kündigung konnte er seinen betrügerischen Aktivitäten noch mehr Zeit widmen. Außerdem brauchte er so seine Wohnung nicht mehr jeden Morgen zu verlassen.
    Roman betrachtete seine Profilseite in Virtual Dimension. Die Fiktion innerhalb der Fiktion. Er hatte sich einen englischen Namen, Rick 334, zugelegt, eine völlig falsche Biografie ersonnen und die Fotos eines anderen irgendwo aus dem Internet heruntergeladen. Eines schlanken, gut aussehenden, blonden Mannes. Dann hatte er die Fiktion erweitert, indem er seinen Virtual-Dimension-Avatar an dem gestohlenen Gesicht und Körper orientierte. Die Vorschriften besagten, dass man anderen erst dann einen Einblick in sein »reales« Profil gestattete, wenn seit einiger Zeit eine Bekanntschaft in der virtuellen Welt von New Venice bestand, der unmöglich schönen Stadt im Mittelpunkt des Fantasie-Universums, das sich Virtual Dimension nannte. Er hatte Veronika534 sein Profil sehen lassen, und sie hatte ihm Zugang zu ihrem gewährt. Da beide in Hamburg wohnten, war die Möglichkeit einer Begegnung im realen Leben nahe gerückt. Gefährlich nahe nach Romans Meinung.
    Es war kein allzu großer Zufall, dass sie dieselbe Heimatstadt hatten: Virtual Dimension zog Menschen aus der ganzen Welt an, doch Roman hatte erraten, dass das Programm, um seinem Versprechen der »Zusammenführung« von virtueller und physischer Realität gerecht zu werden, die geografische Herkunft von IP-Adressen analysierte und Kunden, deren Wohnorte in der realen Welt nicht weit voneinander entfernt lagen, zusammenbrachte.
    Natürlich hätte Roman dies umgehen können. Er hatte ein Dutzend Möglichkeiten, sich mit einer regional nicht spezifischen IP-Adresse einzuloggen, und seine illegalen Server gestatteten es ihm, sich hinter den registrierten Daten anderer Personen zu verstecken, aber wann immer er Virtual Dimension besuchte, griff er auf dieselbe nichtdynamische und geografisch exakte IP-Adresse zurück. Unglaublicherweise war sie legal und mit seiner Wohnungsadresse in der realen Welt verbunden. Er benutzte sie ausschließlich für Virtual Dimension, wodurch er eine rechtlich korrekte Verbindung mit dem Internet nachweisen konnte, die keinerlei Zusammenhang mit seiner betrügerischen Tätigkeit aufwies.
    Roman stieß sich mit den Fersen vom Fußboden ab, und seine massige Gestalt glitt in dem spezial angefertigten Stuhl schwerelos dahin und verharrte vor einem anderen Bildschirm. Er loggte sich über eine Telekomfirma in Buenos Aires in sein Internet-Account ein und gelangte zu einem gesicherten Bankkonto in Hongkong, über das er Euros von einem Konto in London abbuchte, die er anschließend in New York gegen Dollars eintauschte. Einige kleine Probleme tauchten auf, doch alle konnte er innerhalb von fünfzehn Minuten lösen, und dann war er um fünftausend Dollar reicher. Das Konto, das er bestohlen hatte, wies einen Stand von mehr als sechseinhalb Millionen auf, und er hätte es genauso gut leeren können, statt sich mit bescheidenen 5000 Dollar zu begnügen, aber Roman ging ganz bewusst nicht so vor. Die Kontenprüfer würden feststellen, dass das Konto, wenn die Transaktion betrügerisch gewesen wäre, vermutlich leergeräumt worden wäre, weshalb es unlogisch war, einen Betrug zu vermuten. Also würden sie weiter nach dem Verbleib der fehlenden 5000 Dollar forschen, und am Ende einsehen, dass die Kosten einer Ermittlung höher ausfallen würden als der verlorene Betrag. Daraufhin würden sie die Sache fallen lassen, die Sicherheitseinstellungen ändern und die Überwachung verschärfen. Und er würde dieses Konto nie wieder plündern.
    Roman eignete sich relativ geringe Beträge an,

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