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Jan Fabel 06 - Tiefenangst

Titel: Jan Fabel 06 - Tiefenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Brauners Hand. Er hatte das Gefühl, dass seine Karriere und sein Leben auf einen Schlag in sich zusammenbrachen.
    »Es ist eine Bronzeskulptur von Rahab, einem hebräischen Seedämon.« Fabels Stimme war tonlos. Fern. Er versuchte einen Moment lang, sich an Müller-Voigts genaue Worte zu erinnern. »Rahab war der Urheber von Stürmen und Vater des Chaos. Und ich glaube, du solltest wissen, dass er dir einen guten Satz Fingerabdrücke liefern wird. Meine.«

ZWEITER TEIL
    23.
     
    Als Roman Kraxner acht Jahre alt war, hatten seine Eltern mit ihm den Hausarzt aufgesucht, der immer wieder den Kopf schüttelte, das Gesicht verzog und sie zu einem Kinderpsychiater überwies, der nie den Kopf schüttelte oder das Gesicht verzog. Im Gegenteil, Roman konnte nie beobachten, dass der Spezialist überhaupt einen erkennbaren Gesichtsausdruck zeigte. Zudem hatte er auf unzusammenhängende, kaum verständliche Weise mit seinen Eltern über ihn gesprochen. Vor allem das war Roman über den Psychiater in Erinnerung geblieben, abgesehen von dessen schwerer schwarzer Hornbrille. Damit will er seine Augen verbergen, hatte der Junge gedacht, weil er den Blick anderer nicht erwidern möchte. Nach dieser Erkenntnis hatten sich Romans Sorgen aufgelöst. Seinen Eltern ging es ebenso, denn der Psychiater hatte ihnen versichert, dass ihr Sohn nicht an einer grundlegenden Lernschwäche oder seelischer Labilität leide.
    »Ihr Sohn hat eine schizotype Persönlichkeit«, erklärte der Arzt, fummelte an seiner schwarzen Hornbrille herum und vermied jeglichen Augenkontakt. »Aber er … also er leidet nicht an einer schizoiden Persönlichkeitsstörung oder an Schizophrenie … Nein. Auch Asperger können wir ausschließen. Aber er hat … Er zeigt abgestumpfte Emotionen und eine exzessive Introspektion.«
    »Was bedeutet das?«, hatte Romans Vater gefragt.
    »Roman fehlt … er hat eine unterentwickelte Fähigkeit, sozial zu agieren … Er, ähm … wird Mühe haben, mit anderen auszukommen, denn er kann sie nicht richtig verstehen. Aber all das ist bezeichnend für eine schizotype Persönlichkeit, und es heißt nicht, dass er kein erfülltes und erfolgreiches Leben führen kann. Und es gibt einen Ausgleich: Er ist offensichtlich hochintelligent, und ein solcher Mensch kann äußerst fantasievoll und kreativ sein. Zahlreiche Komponisten, Künstler, Schriftsteller, Mathematiker, Physiker … In vielen Lebensbereichen ist es ein Vorteil.«
    Roman war erstaunt darüber, dass der sich so unverständlich ausdrückende Arzt, der sich hinter seiner schweren Brille verbarg, die Liste nicht um den Beruf Psychiater erweitert hatte.
    Seine Eltern hatten die Bedeutung der Worte des Psychiaters nie wirklich verstanden. Nach einem Zeitraum der Beruhigung hatten sich wieder die alten Zweifel eingeschlichen: Der Psychiater hatte doch von schizotyp gesprochen, oder? Und das klang kaum anders als schizophren .
    Unterdessen gedieh Roman von einem seltsamen Kind ohne Freunde zu einem noch seltsameren Halbwüchsigen ohne Freunde. Es lag weniger daran, dass andere ihm aus dem Weg gingen, was unzweifelhaft der Fall war, als vielmehr vor allem daran, dass er selbst anderen aus dem Weg ging. In der Schule pflegte er nur mit einer einzigen Person so etwas wie eine Freundschaft: mit Niels Freese. Aber Niels war noch seltsamer als Roman und hatte die Schule wegen langer Therapien verlassen müssen. Immerhin, wenn sie zusammen waren, stellten sie fest, dass sie, jeder auf seine eigene Art, die Welt völlig anders sahen als ihre Altersgenossen.
    Nachdem man Niels dauerhaft auf eine Sonderschule geschickt hatte, war Roman jedem weiteren Kontakt ausgewichen. Das kostete ihn nicht viel Mühe, denn seine Klassenkameraden ignorierten ihn entweder oder sie mieden ihn. Von denen, die ihn nicht ignorierten, wurde er gequält.
    Mit dem Beginn der Pubertät merkte Roman, dass sein Verzicht auf alle Kontakte sogar noch radikaler war, als er selbst geahnt hatte. Der Ansturm der Hormone löste kaum ein sexuelles Begehren gegenüber dem einen oder anderen Geschlecht in ihm aus. Die Vorstellung physischer Intimität war für ihn nicht unbedingt abscheulich, sondern einfach überflüssig. Er konnte nie einen Sinn darin sehen.
    Roman stellte jedoch fest, dass er nicht völlig asexuell war. Aber jeder Kitzel der Erregung wurde allein durch Mädchen und Frauen erzeugt, die für den schon damals schwergewichtigen Jungen unerreichbar waren. Denn das Einzige, was einen Hauch von

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