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Jan Fabel 06 - Tiefenangst

Titel: Jan Fabel 06 - Tiefenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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ist Blödsinn.«
    »Aber das Pharos-Projekt verbreitet diesen Blödsinn. Und der Korn-Pharos-Konzern forscht dazu. Korn-Pharos ist weltweit führend in Computersimulationen – und ich meine nicht das Zeug, das auf einer Konsole gespielt wird. Korns Vater hat sein Vermögen dadurch gemacht, dass er Computermodelle für das amerikanische Militär und dann für die NASA entwickelte. Diese Programme konnten in ganze Sternbilder und in Schwarze Löcher eindringen. Sie begannen als einfache mathematische Modelle und wurden innerhalb eines Hauptrechners zu superrealistischen Universen. Laut Dominik Korn ist Korn-Pharos nur ein Jahrzehnt von der Erschaffung eines Hardware- und Softwaresystems entfernt, das sich ständig selbst aktualisieren und reparieren kann. Am gloriosen Tag der Konsolidierung werden laut Korn alle Mitglieder des Pharos-Projekts in eine superrealistische Computersimulation hochgeladen werden, die es ihnen erlaubt, für immer in einer Welt zu leben, die so real wie diese ist. Dadurch, dass sie von ihr getrennt sind, werden sie die reale Umwelt retten.«
    »Etwas ganz Neues: ein Cyber-Jenseits.«
    »Jenseits ist das Schlüsselwort. Wenigstens nach Meinung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Du lädst dein Bewusstsein hoch, und was dann? Wo bist du wirklich? Dein Bewusstsein befindet sich an zwei Orten gleichzeitig: in der realen und in der virtuellen Welt. Damit hat sich für dich im Grunde nichts geändert. Es sei denn …«
    »Es sei denn, du hörst auf, in der realen Welt zu existieren.« Susanne stellte ihr Weinglas auf den Tisch und schüttelte langsam den Kopf. »Massenselbstmord.«
    »Besser gesagt, Massenmord in Form von Massenselbstmord. Seien wir ehrlich, das ist der Kern all dieser Sekten. Jonestown, Orden des Sonnentempels, Heaven’s Gate, Branch Davidians. Und trotz der Hightech-Fassade, die das Pharos-Projekt aufgebaut hat, geht es um die gleiche Verheißung des Wechsels auf eine höhere Ebene. Man braucht nur vorher zu sterben.«
    Das Telefon klingelte. Fabel hob den Hörer ab, und zu seiner Überraschung meldete sich Astrid Bremer vom Spurensicherungsteam, Holger Brauners Stellvertreterin.
    »Du machst wohl nie Feierabend«, sagte Fabel.
    »Stimmt, ich mache seit drei Wochen haufenweise Überstunden. Mein Sozialleben ist völlig im Eimer. Wie wär’s mit einer guten Nachricht?«
    »Nichts lieber als das.«
    »Wir haben eine vollständige Fingerabdruck- und Spurenanalyse an der Skulptur vorgenommen, mit der Müller-Voigt ermordet wurde. Wie du erraten hast, weist sie nur deine und Müller-Voigts Fingerabdrücke auf, und wir haben keine DNA eines Dritten.«
    »Wunderbar«, stöhnte Fabel. »Du hast eine seltsame Vorstellung von guten Nachrichten.«
    »Na ja, es könnte schlimmer sein. Es gibt keine anderen Fingerabdrücke, weil der Mörder Handschuhe getragen hat. Wir haben Verwischungen deiner Fingerabdrücke. Also warst du nicht der Letzte, der die Skulptur angefasst hat. Natürlich könntest du danach Handschuhe angezogen haben, aber du weißt, was ich meine.«
    »Danke, Astrid. Immerhin etwas.«
    »Noch eine Sache …«
    »Mhm?«
    »Wir haben einige Fasern von einem grauen Stoff am Tatort gefunden, wahrscheinlich von der Anzugjacke eines Mannes. Hast du ein graues Jackett getragen?«
    »Nein. Und Müller-Voigt auch nicht.«
    »Das wissen wir, denn wir konnten nichts Entsprechendes in seinem Kleiderschrank finden.«
    »Das habt ihr schon festgestellt?«
    »Ja«, erwiderte Astrid. »Dieser Stoff weist einen unglaublich hohen Polyesteranteil auf. Der Rest besteht aus einer anderen Kunstfaser. Ich weiß, dass sich die Leute in den Siebzigern für derartige Kunststoffe begeistert haben, aber heutzutage … Ich werde die Fasern an ein Speziallabor schicken, um mehr über die Zusammensetzung zu erfahren.«
    »In Ordnung, Astrid.« Fabel legte den Hörer nieder und dachte darüber nach, warum Astrids Mitteilung ihm bedeutsam erschien.

25.
     
    Am folgenden Morgen suchte Fabel als Erstes die Buchhandlung Jensen in den Alsterarkaden auf. Otto Jensen war sein engster Freund, der ihm noch näherstand als Werner. Es war eine durch keinerlei berufliche Interessen verfälschte Freundschaft. Die beiden hatten gemeinsam studiert und ihre Verbindung später aufrechterhalten, obwohl Otto Fabels Berufswahl zunächst als »Verschwendung eines vortrefflichen Geistes« missbilligt hatte. Fabel wusste seit seiner Jugend, dass er scharfsinnig war, aber Otto Jensens Verstand funktionierte auf einem ganz

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