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Jan Fabel 06 - Tiefenangst

Titel: Jan Fabel 06 - Tiefenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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würde ich für ihn gar nicht existieren. Und deshalb gab es keine Zukunft für uns.«
    Fabel dachte über ihre Worte nach. Ihre Aussage entsprach ziemlich genau der Beschreibung des Kellners. »Was wissen Sie über Herrn Föttingers Firma?«
    »Nur das, was ich durch die Arbeit an seiner Website erfahren habe. Umwelttechnologie. Daniel hat sich mit allen Formen von Kohlenstoffbindungen beschäftigt. Er war auch an der Vorbereitung des GlobalConcern-Gipfels beteiligt, wie Sie vermutlich wissen.«
    »Ich habe davon gehört.« Fabel machte eine kurze Pause. »Was ist mit Frau Föttinger? Kann es sein, dass sie etwas von Ihrer Beziehung ahnte?«
    »Bitte? Die Wut einer betrogenen Frau? Nein, ich glaube nicht, dass Kirstin Föttinger jemanden dafür bezahlt hat, Daniels Auto abzufackeln. Glauben Sie mir, so engagiert ist sie nicht.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »In mancher Hinsicht ist sie Daniel sehr ähnlich, doch viel extremer. Daniels Frau ist der eigentliche Umweltfreak. Sie ist strikte Veganerin und meint, dass wir null Einfluss auf den Planeten haben sollten. Außerdem gehört sie einer Gruppe mit sonderbaren Ideen an. Mit echt sonderbaren Ideen. Daniel war auch mit der Gruppe verbunden, aber nicht so eng wie sie. Wahrscheinlich hat sie ihn mit hineingezogen. Das Traurige ist, dass Daniel sie vor gar nicht so langer Zeit aufrichtig liebte. Und dann kapselte sie sich einfach ab … zog sich zurück. Ich glaube, er hätte sich nie mit mir eingelassen, wenn sie nicht so seltsam geworden wäre. Komischerweise hatte ich das Gefühl, dass Daniel sich genauso entwickelte. Er zog sich zurück. Wurde merkwürdig.«
    »Von was für einer Gruppe sprechen Sie?«, fragte Fabel, obwohl er sich ziemlich sicher war, die Antwort bereits zu kennen.
    »Es ist eher eine Sekte«, sagte Victoria Kempfert. »Sie nennt sich Pharos oder so.«
    Fabel nickte langsam und schaute in sein Notizbuch. Ein bewusster Schachzug, um die Bedeutung dessen, was sie ihm gerade mitgeteilt hatte, zu verbergen.
    »Und er hat auch in dieser Gruppe mitgearbeitet, aber nicht in gleichem Maße?«
    »Richtig. Aber wenn ich mich nicht irre, halten die Leute nichts von begrenzter Mitarbeit. Man muss sich ganz und gar für Pharos einsetzen. Die Sache war mir ein bisschen unheimlich. Mehr als ein bisschen. Daniel war ein intelligenter Mann. Er hatte wunderbare Ideen, doch ihm fehlte das Geld, sie zu verwirklichen. Aber seine Frau war betucht. Sie hat ihn anfangs finanziert, bevor er seine Firma zum Marktführer ausbaute. Dafür musste er Mitglied bei Pharos werden. Er machte oft Witze darüber.« Sie runzelte die Stirn. »Dann hörte er damit auf. Genauer gesagt, er machte über nichts mehr Witze.«
    »Er änderte sich?«
    »Ja. Ich riet ihm auszusteigen, solange er es noch konnte. Er schien es wirklich zu wollen, aber bei jeder unserer Begegnungen hatte ich das Gefühl, dass er es weniger ernst meinte. Als wäre ein bisschen mehr von seiner Persönlichkeit – von seinem eigenen Willen – ausgelöscht worden. Und deshalb fand ich die ganze Sache ermüdend.« Sie unterbrach sich. »Herr Fabel, ich war nie wirklich hingerissen von Daniel. Nicht einmal am Anfang. Zuerst war es ein Spaß – er machte mir Spaß –, aber dann wurde es etwas eintönig. Auch wegen der seltsamen Gruppe, zu der seine Frau und er gehörten.«
    »Sie wollten Schluss machen?«
    »Ich habe es ihm beim Mittagessen gesagt. Kurz vor dem Anschlag. Können Sie sich vorstellen, wie ich mich nun fühle?«
    »Das konnten Sie doch nicht wissen, Frau Kempfert. Wie hat er reagiert?«
    »Positiv. So positiv, dass mein Ego hätte darunter leiden können. Es war, als wäre es ihm gleichgültig. Oder als wäre er sogar erleichtert.«
     
    Während Fabel die Straße zu seinem Auto überquerte, brauchte er sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Victoria Kempfert ihn von ihrem Fenster aus beobachtete. Sie war kratzbürstig gewesen, abweisend bis zur Feindseligkeit. Dies war Teil des Leugnungsprozesses, der sich einem Trauma wie dem ihren anschloss. Aber diese Erklärung genügte nicht. Sie hatte Fabel etwas mitteilen wollen, war jedoch unsicher oder verängstigt gewesen. Stattdessen hatte sie die Botschaft mit verbalen Widerhaken umgeben. Er holte sein Handy hervor und drückte auf die Kurzwahltaste für die Mordkommission, bevor ihm einfiel, dass dies sein Ersatztelefon war, auf dem er die Nummer noch nicht eingespeichert hatte. Er brauchte eine Weile, bevor er sich an sie erinnern und sie eintippen

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