Jan Fabel 06 - Tiefenangst
Kontenabbuchungen gebeten. Ich wette, es gibt einen Dauerauftrag für Überweisungen an ihren Telefondienstleister. Aber auch wenn wir feststellen, dass sie einen Computer und ein Handy hatte, müssen wir die Geräte immer noch finden.«
Fabel stöhnte auf. Sie schienen dauernd in einem Nebel herumzutappen. »Irgendetwas ist hier anders.« Er rieb sich das Kinn. »Jemand versucht unzweifelhaft, seine Spuren zu verwischen und die Zeiten zu verfälschen. Aber wie Werner schon sagte: Warum jetzt? Warum hielt er es für notwendig, die Details in diesem Fall plötzlich zu ändern?«
Sie wandten sich dem Fall Müller-Voigt zu. Werner schilderte den bisherigen Stand der Ermittlungen. Er bestätigte das, was Fabel bereits von Astrid Bremer über die verwischten Fingerabdrücke und die am Tatort gefundenen grauen Fasern erfahren hatte. Davon abgesehen, schien auch diese Ermittlung ins Stocken geraten zu sein, obwohl Werner sich alle Mühe gab, jeglichen Verdacht, dass sein Chef an dem Mord beteiligt gewesen war, auszuräumen.
Anna Wolff nahm den Faden auf.
»Müller-Voigts geheimnisvolle Freundin ist ein kleines bisschen durchschaubarer geworden«, sagte sie. »Aber eben nur ein kleines bisschen.«
»Oh?«, fragte Fabel mit plötzlichem Interesse.
»Müller-Voigt hatte eine breite Auswahl an Restaurants, in die er Frauen einlud. Es hätte mir die Sache leichter gemacht, wenn er ein Gewohnheitstier gewesen wäre, aber ich habe alle überprüft. Niemand hat eine Frau gesehen, die Melihas Beschreibung entsprach. Dann dachte ich, dass sie vielleicht den Ton angab und entschied, wohin sie gingen. Und da sie Türkin ist, habe ich beschlossen, einige der türkischen Restaurants in der Stadt unter die Lupe zu nehmen. Ihr könnt mir glauben, es gibt eine Menge türkischer Restaurants in Hamburg. Ich habe mir die Freiheit genommen, ein Bild von Müller-Voigt und eine Beschreibung von Meliha Yazar bei der Schutzpolizei zirkulieren zu lassen.
Wir sind in Elmsbüttel fündig geworden. Der Besitzer eines Restaurants am Schulterblatt im Schanzenviertel schwört, dass Müller-Voigt und Meliha dort Stammgäste waren. Er erkannte Müller-Voigts Bild, hatte aber keine Ahnung, dass er Politiker war, und er erinnert sich an Meliha, weil sie Türkisch mit ihm sprach. Wie sie ihm erzählte, stammte sie aus Silviri, an der Küste. Einige Male kam sie auch allein zum Essen, aber es gibt keine Kreditkartentransaktion, weil sie entweder bar zahlte oder Müller-Voigt die Rechnung übernahm. Leider ist das alles, mehr wusste er nicht. Allerdings ist der reguläre Kellner zurzeit im Urlaub, aber er kommt diese Woche zurück. Der Besitzer hatte den Eindruck, dass es der Frau nicht gefiel, wenn man ihr Fragen stellte. Sonst jedoch war sie sehr freundlich, und die beiden schienen ein sehr eng miteinander verbundenes Paar zu sein.«
Noch ein Amateurpsychologe unter den Kellnern, dachte Fabel. »Immerhin etwas. Nein, mehr als das. Gut gemacht, Anna. Jedenfalls können wir nun nachweisen, dass Meliha Yazar existierte.«
Er kehrte zu der förmlichen Zusammenfassung der Fälle zurück und hoffte, dass ihm etwas ins Auge springen würde. Gewöhnlich war es Aufgabe der Mordkommission, eine Gemeinsamkeit zwischen Fällen zu finden und Verbindungen herzustellen. Im Moment jedoch stolperten sie dauernd über Gemeinsamkeiten und Verbindungen, wo keine hätten vorhanden sein sollen: Der Network-Killer-Fall hatte wahrscheinlich nichts mit der zerstückelten weiblichen Leiche zu tun, die am Fischmarkt angeschwemmt worden war, aber Müller-Voigts Ermordung konnte etwas mit der Wasserleiche zu tun haben, und Daniel Föttingers Tod, möglicherweise ungeplant, hätte sich von allen anderen abheben müssen, aber es gab Verbindungen und Gemeinsamkeiten. Oder wenigstens so viele Übereinstimmungen, dass ein Zufall nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit nahezu ausgeschlossen werden konnte.
Müller-Voigts verschwundene Freundin hatte Nachforschungen über das Pharos-Projekt angestellt, und die am Fischmarkt angeschwemmte Leiche war fast genauso lange im Wasser gewesen, wie Meliha vermisst wurde. Müller-Voigt gehörte dem Aufsichtsrat von Föttinger Environmental Technologies an, und sowohl Daniel als auch Kirstin Föttinger waren Mitglieder des Projekts. Sogar der Network-Killer-Fall wies durch die Firma, die Virtual Dimension entwickelt hatte, eine unerwartete, wenn auch eher zufällige Verbindung zu Pharos auf. Hinzu kam die Tatsache, dass jemand nach Kräften
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