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Jan Fabel 06 - Tiefenangst

Titel: Jan Fabel 06 - Tiefenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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war im Grunde eine Verlängerung der oberen Etage und schob sich, gestützt von zwei im Flussbett verankerten Pfahlreihen, noch weiter über die Elbe hinaus. Vom Dach der in der Luft schwebenden Etage aus durchbohrte eine hellblaue Lasernadel, nun im Zwielicht sichtbar, die Wolken über dem Bauwerk. Das Licht des Pharos.
    Dies, dachte Fabel, ist mehr als ein Gebäude. Es ist ein Ausdruck der Macht und des Reichtums. Für eine angebliche Umweltschutzgruppe untypisch, wirkte es wie eine aggressive Bekräftigung der menschlichen Herrschaft über die Natur. Außerdem hatte es etwas Bedrohliches an sich.
    Er fuhr weiter auf der schmalen Küstenstraße entlang, bis er den zum Pharos führenden Pfad erreichte. Aus der Nähe wirkte der Anblick sogar noch überwältigender. Das niedrigere Bauelement bestand aus Naturstoffen – hellem Holz, Glas und großen Steinblöcken. Nachdem Fabel von der Straße abgebogen war, fand er sich kurz darauf vor einem geschlossenen Tor wieder. Auf der anderen Seite des Zaunes stand ein kleines Blockhaus, und Fabel musste energisch auf die Hupe drücken, bevor jemand herauskam. Es überraschte ihn nicht, dass der junge Mann mit den kurzen blonden Haaren, der sich ihm vom Blockhaus her näherte, einen grauen Anzug, ein weißes Hemd und eine dunkelgraue Krawatte trug. Er blieb vor dem schweren Maschendrahtzaun stehen, betrachtete Fabel teilnahmslos und machte keine Anstalten, das Tor zu öffnen.
    Fabel stieg aus. Der Zaun an beiden Seiten des Tores war etwa drei Meter hoch und kräftig genug, um alle außer den entschlossensten Eindringlingen fernzuhalten.
    »Ich möchte mit Herrn Wiegand sprechen.« Fabel hielt seinen Polizeiausweis hoch. Der Mann am Tor blieb stumm und emotionslos. »Jetzt sofort«, betonte Fabel.
    »Niemand wird ohne Termin eingelassen.« Die Stimme des Pförtners war so eintönig und finster, wie Fabel es erwartet hatte. »Wir geben niemandem Zutritt zum Pharos, wenn es nicht vorher vereinbart wurde.«
    »Ich brauche keinen Termin. Ich bin Polizist.« Fabel bemerkte, dass der Mann eine Bluetooth-Muschel im Ohr hatte.
    »Dann brauchen Sie einen Durchsuchungsbefehl.«
    »Sie verstehen mich nicht«, sagte Fabel müde. »Ich habe eine persönliche Einladung von Herrn Wiegand, Ihrem Vizepräsidenten.«
    Der Pförtner wandte den Blick nicht von Fabel ab. Wenn ihm etwas durch den Kopf ging, blieb es unter der Oberfläche verborgen.
    Nach einer scheinbaren Ewigkeit brach der junge Mann sein Schweigen. »Warten Sie.«
    Er entfernte sich ein paar Meter und drehte Fabel den Rücken zu, um vermutlich mit dem Hauptgebäude Verbindung aufzunehmen. Nach einer Weile kehrte er um und öffnete das Tor.
    »Lassen Sie Ihren Wagen hier«, ordnete er an. »Wir gestatten im Innern keinen Fahrzeugverkehr.«
    Fabel verriegelte sein Auto mit der Fernbedienung und betrat das Gelände. Der Pförtner führte ihn zum Haupteingang des Pharos, wo ein weiterer ernst blickender Mann, offenbar vom Sicherheitsdienst und ebenfalls mit einer Hörmuschel ausgestattet, wartete. Fabel betrachtete das Gebäude aus nächster Nähe. Es schien drohend in die Höhe zu ragen. Nicht zufällig benutzte das Pharos-Projekt die Symbolik und das Vokabular der internationalen Finanzwelt: Dieses Gebäude diente dem Zweck, alles Menschliche in den Schatten zu stellen. Wie die Zentrale jedes multinationalen Konzerns sollte der Pharos das Unternehmensganze verkörpern und verherrlichen und das Individuelle in den Hintergrund rücken. Es war die gleiche Methode, die schon die Architekten gotischer Kathedralen benutzt hatten: Die Größe sollte Gott versinnbildlichen, doch in Wirklichkeit stand sie für die Macht der Kirche, des großen multinationalen Konzerns des Mittelalters.
    Man führte Fabel in ein geräumiges Atrium mit gedämpfter Beleuchtung. Der Grund, vermutete Fabel, war das Kernstück des Atriums: Ein Strahlenkreis, dessen Farbtöne sich dauernd änderten, richtete sich nach oben auf eine gigantische, in der Luft hängende Qualle, durchsichtig und schön, mit tiefrotem Kern und transparenten Fangarmen. Es war eine vortreffliche holografische Projektion, die der Qualle drei Dimensionen verlieh und sie pulsieren und die Farbe wechseln ließ. Fabel war überrascht über seine eigene Reaktion. Für einen Sekundenbruchteil hatte die Qualle übermächtig real gewirkt, obwohl er instinktiv gewusst hatte, dass es sich um einen Kunstgriff handelte.
    Im Innern war das Gebäude genauso bemerkenswert. Während man ihn durch Säle

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