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Jan Weiler Antonio im Wunderland

Jan Weiler Antonio im Wunderland

Titel: Jan Weiler Antonio im Wunderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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weit, um einfach abzuhauen, wenn es einem zu viel wird.
    «Amerikaaa», schreit er.
    «Wann? Jetzt sofort?»
    «Bälde, in ein paa Wocke. Muss erste einmal genau planen der Reis.»
    «Aber warum ich? Und wohin genau? Und wieso überhaupt?» Ich bin konfus, immerhin habe ich es hier mit einem Menschen zu tun, für den bereits die wöchentliche Fahrt zum Altglascontainer eine gewaltige logistische Herausforderung darstellt. Und nun Amerika. Au Backe!
    «Du musst kommen, bitte, ist ein wichtiger Reise für mich.
    Also brauchi di dringende.»
    Das klingt wirklich nach oberster Priorität. Ich sage ihm, dass ich wieder anrufe, und bespreche mich abends mit Sara.
    Sie versucht bei ihrer Mutter Näheres zu erfahren, aber die weiß auch nur, dass Antonio seit einigen Tagen verrückt spielt, immer nur von Amerika spricht und dass er dort etwas zu erledigen habe. Sie macht sich Sorgen, und darum sage ich am nächsten Tag zu. Wir fahren Mitte November, in sechs Wochen. Ob ich es bereuen werde oder nicht: Er ist mein Schwiegervater, und ich muss auf ihn aufpassen.
    Nach ein paar Tagen kommen per Post Instruktionen. Antonio hat genau aufgelistet, was ich einpacken soll. Wie bei der Klassenfahrt. Was steht da? Ich rufe ihn an.
    «Toni, hier steht Kleingeld zum Telefonieren. So ein Un-126
    sinn, die haben doch ganz anderes Geld. Die bezahlen da mit Dollar.»
    «Weißi auch, aber musst du wechseln und brauchst Gelde dafür. Stimmte oder habi Recht?»
    «Ich nehme keine Haarbürste mit.»
    «Wieso nick?»
    «Weil ich keine Haare habe, die ich damit bürsten könnte.»
    «Aber ihabe.»
    «Dann nimm du eine Haarbürste mit.»
    «Mein Koffer iste voll.»
    «Hast du etwa schon gepackt?»
    «Na sicher!», heult er los. Es sind noch fünf Wochen bis zur Abreise.
    Zwei Wochen bevor wir aufbrechen, ruft Antonio atemlos an und beschwört mich, meinen Reisepass verlängern zu lassen. Ich beruhige ihn und schaue trotzdem mal nach: Er ist noch vier Jahre lang gültig, alles easy. Ich soll ihm den entsprechenden Eintrag aus meinem Pass vorlesen, und da reicht es mir.
    «Jetzt mach aber mal ’n Punkt. Du tust ja so, als wollten wir auswandern.»
    «Nee, is wichtig bittesehr.»
    «Du musst mir vertrauen. Ist denn dein eigener Pass noch gültig?», frage ich ihn zum Spaß. Nach seinem Theater die ganze Zeit halte ich das für eine rhetorische Frage.
    «Momentma.» Ich höre ihn herumkramen und «Uuuuuuur-sulaaaaa» rufen, und nach einer Ewigkeit kommt er wieder an den Apparat. «Da is abgelaufen! Porca miseriea ! Muss Schluss macke.»
    Dann höre ich drei Tage nichts von ihm. Das bedeutet normalerweise kein Unheil, aber in Anbetracht seiner panik-artigen Reisevorbereitungen ist das schon ziemlich merk-127
    würdig. Auf meine Anrufe reagiert er auch nicht. Schließlich das erlösende Klingeln. Antonio teilt mit, dass er mitkom-men kann. Später erfahre ich, dass er einen zweitägigen Sitz- und Hungerstreik im italienischen Konsulat hingelegt hat, um rechtzeitig an einen neuen Pass zu kommen (der alte wurde nicht verlängert, weil man weder die Buchstaben darin entziffern noch sein Bild erkennen konnte). Ich komme in den Genuss der Videoaufzeichnung einer regionalen Nach-richtensendung, die meinen Schwiegervater zeigt, wie er am zweiten Tag seiner Konsulatsbesetzung von Ursula mit Suppe gefüttert wird. Dann sieht man noch, wie ihm der neue Pass überreicht wird und er all seine vielen Goldzähne in die Kamera hält.
    Wir fahren gemeinsam zu meinen Schwiegereltern. Sara wird die Woche, die unsere Reise in die USA dauern soll, bei Ursula verbringen. Sie freut sich darauf, denn so kann sie endlich mal mit ihrer Mutter alleine sein, ohne dass Antonio sich ständig in alles einmischt. Sie ist nach wie vor nicht sehr scharf auf seine Gegenwart. Und sie wird ihre Schwester sehen, denn Lorella ist vor kurzem mit Jürgen aus Südafrika zurück und wohnt bei meinen Schwiegereltern, bis das Kind da ist. Lorella hätte es schick gefunden, wenn ihr Sohn ein kleiner Südafrikaner geworden wäre, aber Jürgen wollte, dass sie ihn in Deutschland bekommt, denn im Ausland wisse man ja nie, und bei den Hottentotten da unten sollte man Vorsicht walten lassen, und die medizinische Versorgung sei bei uns immer noch top, und das müsse man ausnutzen, wenn man schon das Privileg habe, aus einem der reichsten Länder der Welt zu kommen. Jürgen ist sehr klug. Er kann Wischblätter montieren.
    Ich habe alles dabei, was Antonio mir aufgeschrieben hat, außer dem kleinen Topf,

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