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Jan Weiler Antonio im Wunderland

Jan Weiler Antonio im Wunderland

Titel: Jan Weiler Antonio im Wunderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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Mit wenigen ruhigen Worten, so heißt es später, hätte ich den Riesen überredet, und es floss nicht ein Euro, was den Italienern, fast schon spanisch vorkommt.
    Innen weht uns der einzigartige Odem des Bierzeltes entgegen. Tausende und Abertausende Menschen sitzen, tanzen, laufen, stampfen, rülpsen, brüllen, singen in schattenfreiem Licht unter einem künstlichen Himmel. In der Mitte eine Em-pore, auf der die Band gerade das Mantra der Gemütlichkeit 117
    spielt. Rechts und links Balkone, von denen aus man wie ein römischer Kaiser auf den Pöbel schauen kann. Und überall Frauen, große Frauen. Qui, Quo und Qua sind überwältigt.
    Mehr noch. Sie können nicht fassen, was sie sehen. Eine Rie-sin, die einen Haufen Bier an uns vorbeiträgt, rüffelt uns an, wir stehen im Weg.
    Das geht natürlich nicht, außerdem bekommt nur Bier, der auch sitzt. Also suchen wir uns ein Plätzchen. Zu viert muss das doch klappen. Aber überall blitzen wir ab, außer bei den italienischen Tischen, aber die sind schon so voll, da passen wir nicht mehr hin. Wir landen nach einer ganzen Weile bei einer Runde von älteren Herrschaften in Tracht, die Mitleid mit uns haben.
    Wir setzen uns also, und schon nach einem knappen halben Stündchen kommt unser Bier, welches mit Rücksicht auf die Kondition der Italiener nur maßvoll eingeschenkt wurde.
    Es ist ja Festbier und hat mehr Alkohol als normales Bier, also werden die Gläser auch nur halb voll gemacht. Ich würde mich ja beschweren und dann ehrenvoll rausfliegen, aber wenn die erschütternde Schankmoral meinem Besuch egal ist, ist sie mir eben auch egal. Wir prosten den Senioren aus Landshut zu, von denen einer früher schon mal beruflich in Italien war, wie er sagt. Was er denn da in Italien beruflich gemacht habe, fragt Marco, und der Mann sagt: «Gefreiter im Nachschub-bataillon.»
    Es ist so ungefähr elf Uhr, und langsam wird die Luft schlecht, was in Bayern immer ein besonderes Indiz für sau-mäßige Gemütlichkeit ist. Vor mir steht ein Bier, und neben mir steht Francesco, der die Hände in die Luft reißt und brüllt:
    «Jaaaaaa, erlepp nock, erlepp nock, erlepp nock, stibte nie!»
    Worum es denn in diesem lustigen Lied gehe, das hier alle immer singen, werde ich gefragt. So genau weiß ich es gar nicht, 118
    also höre ich zu und entnehme dem Text Folgendes: Irgendwie gibt es da im Sächsischen eine Art Forst-Zombie, der im Verlaufe des Liedes immer kränker und kränker und siecher und siecher wird und schließlich stirbt, nachdem er im Flur gestürzt ist. Am Ende wird sein Grab besucht, aber der tote Holzmichl liegt nicht darin, ist verschwunden und also offenbar doch nicht tot. Insbesondere den Umstand, dass dieses morbide Lied Anlass für ausgelassenste Fröhlichkeit bietet, finden meine Begleiter skurril, und anstatt zu singen, bleiben sie mehrere Minuten lang betroffen sitzen und starren in ihr Bier.
    Um meine Freunde aufzuheitern, hole ich Riesenbrezeln.
    Ich liebe Riesenbrezeln. Sie verbinden sich im Magen mit Bier zu einer kleisterartigen Substanz, mit der man Tapeten an Wände kleben kann. Wenn man will. Füttert man hingegen kleine Vögel mit diesen Brezeln, fliegen sie wenige Meter weit und explodieren dann. Lecker Brezeln. Dazu sollte man möglichst viel Radi essen, also Rettich. Nach einer Stunde kann es einem dann so gehen wie einem kleinen Vogel, bloß ohne zu fliegen.
    Das Schicksal des armen alten Holzmichl ist bald vergessen, zumal die Landser aus Landshut eine Runde spendieren.
    Dann brechen sie auf, mit unsicherem Schritt und ungewissem Ziel. Meine Freunde und ich singen den nächsten Holzmichl ihnen zu Ehren mit abgewandeltem Text: «Lebt denn der alte Wehrmachtssoldat ...?»
    Wenig später kommen vier lustige Frauen aus Oer-Erkenschwick und fragen, ob bei uns noch Platz sei. Aber natürlich, gerne, immer. Meine Übersetzungsmaschine läuft nicht mehr rund, das mag am Alkohol liegen. Und ich habe ein beständiges Summen im Kopf, dagegen trinke ich an. Marco, Franceso und Fürio lassen es sich nicht nehmen und laden die Damen 119
    zu einem Getränk ein. Nach jedem Lied tauschen wir die Plätze, damit wir uns alle besser kennen lernen.
    Um 12:10 sitze ich neben Angelika. Sie spricht so, wie man in Oer-Erkenschwick spricht, und hat ein bayerisches Dirndl an, wie man es nur in Oer-Erkenschwick kaufen kann. So richtig hübsch ist sie nicht, aber na ja, was soll's.
    12:46. Wir singen.
    13:21. Angelika hat ganz schön große Dinger.
    13:59. Ich finde Angelika

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