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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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»Ist jemand verletzt?« – »Was ist geschehen?« – »Holt ein Licht!« – »Ist Feuer ausgebrochen?« – »Sind es Diebe?« – »Wohin sollen wir?«
    Hätte nicht der Mond seine Strahlen in die Galerie geworfen, so hätten wir alle uns in der tiefsten Dunkelheit befunden. Alles lief hin und her, drängte sich aneinander. Einige schluchzten, andere stolperten und fielen. Die Verwirrung war unbeschreiblich und schien unauflösbar.
    »Wo zum Teufel ist Rochester?«, rief Colonel Dent. »In seinem Bett ist er nicht mehr.«
    »Hier, hier!«, gab eine andere Stimme Antwort. »Beruhigen Sie sich alle! Ich komme sofort.«
    Und dann wurde die Tür am Ende der Galerie aufgerissen. Mr. Rochester erschien, in der Hand trug er eine brennende Kerze. Er kam geradewegs aus dem oberen Stockwerk herab. Eine der Damen lief auf ihn zu und packte ihn am Arm: Es war Miss Ingram.
    »Was ist Entsetzliches geschehen?«, fragte sie. »Sprechen Sie! Lassen Sie uns lieber gleich das Schlimmste erfahren!«
    »Aber so reißen Sie mich nicht zu Boden und würgen Sie mich nicht«, erwiderte er, denn jetzt hatten auch die beiden Miss Eshtons sich an ihn gehängt, und die beiden verwitweten Damen segelten majestätisch wie Dreimaster bei vollem Winde auf ihn zu.
    »Alles in Ordnung, alles in Ordnung!«, rief er. »Es ist nur eine Probe von ›Viel Lärm um nichts‹. Meine Damen, halten Sie Abstand, oder ich werde gefährlich.«
    Und gefährlich sah er aus; seine schwarzen Augen sprühten Funken. Dann zwang er sich zur Ruhe und fügte hinzu:
    »Eine Dienerin hatte einen Albtraum, das ist alles. Sie ist eine leicht erregbare, nervöse Person. Ohne Zweifel hielt sie ihren Traum für eine Erscheinung oder irgendetwas Ähnliches und bekam vor Schreck Krämpfe. Nun, meine Herrschaften, muss ich Sorge tragen, dass Sie alle sicher in Ihre Zimmer zurückgelangen, denn bevor die Bewohner desHauses sich nicht beruhigt haben, kann für die besagte Person nichts geschehen. Meine Herren, haben Sie die Güte, den Damen mit gutem Beispiel voranzugehen. Miss Ingram, ich bin fest überzeugt, dass Sie nicht unterlassen werden, sich als erhaben über solch eitlen Schrecken zu zeigen. Amy und Louisa, Ihr süßen Täubchen, kehrt in euer Nest zurück. Meine Damen …« – zu den beiden Witwen gewendet – »… Sie werden sich ohne Zweifel erkälten, wenn Sie auch nur noch eine Minute länger in dieser feuchtkalten Galerie verweilen.«
    Und während er in dieser Weise abwechselnd befahl und schmeichelnd überredete, gelang es ihm, sie alle wieder in ihre verschiedenen Schlafgemächer hineinzubringen. Ich wartete nicht darauf, dass er mir befahl, das meinige wieder aufzusuchen, sondern zog mich so unbemerkt zurück, wie ich es auch unbemerkt verlassen hatte.
    Aber nicht, um mich wieder schlafen zu legen: Im Gegenteil, ich begann, mich sorgfältig anzukleiden. Das Geräusch, welches ich unmittelbar nach jenem grässlichen Angstschrei vernommen hatte, und die Worte, welche an mein Ohr gedrungen waren, hatte wahrscheinlich außer mir niemand gehört, denn sie kamen ja aus dem Zimmer, welches sich direkt über dem meinen befand. Sie überzeugten mich aber, dass es nicht der Traum einer Dienerin gewesen war, was einen solchen Schrecken über das ganze Haus verbreitet hatte. Ich wusste, dass die Erklärung, welche Mr. Rochester gegeben hatte, nur eine Erfindung war, deren er sich bediente, um die erregten Gemüter seiner Gäste zu beruhigen. Ich kleidete mich also an, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Als ich damit fertig war, setzte ich mich ans Fenster und blickte lange auf den stillen Park und die vom silbernen Mondlicht beschienenen Felder hinaus. Ich wartete auf … ich weiß nicht, worauf. Mir war, als müsse auf jenen seltsamen Schrei, den Kampf und den Angstruf noch etwas folgen.
    Aber nein. Überall herrschte Ruhe und Frieden. Nach und nach verstummten die Geräusche und nach Ablauf einer Stunde lag Thornfield Hall wieder so lautlos da wie die Wüste. Es schien, als herrschte der Schlaf wieder ungestört im Reiche der Nacht. Der Mond näherte sich seinem Untergang, dann verschwand er. Da ich nicht länger in der Kälte und der Dunkelheit dasitzen wollte, beschloss ich, mich in meinen Kleidern aufs Bett zu legen. Ich verließ den Sitz am Fenster und ging so geräuschlos und vorsichtig wie möglich über den Teppich. Als ich mich niederbeugte, um meine Schuhe auszuziehen, klopfte es mit leiser Hand an die Tür.
    »Werde ich gebraucht?«, fragte

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