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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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augenblicklich in der besten Laune und schlug mir einen Spaziergang im Park vor. Als wir kaum zwei Stunden draußen waren, fanden wir uns mitten in einer vertraulichen Unterhaltung: Sie erfreute mich mit einer Beschreibung des glänzenden Winters, den sie vor zwei Jahren in London zugebracht hatte, erzählte mir von der Bewunderung, die sie erregt, und von den Aufmerksamkeiten, die man ihr erwiesen hatte, und sie machte sogar Andeutungen über eine Eroberung, die sie in höchsten Kreisen gemacht hätte. Im Laufe des Nachmittags und des Abends kam sie wieder auf diese Andeutungen zurück und wurde noch deutlicher; sie wiederholte einige zärtliche Gespräche, beschrieb mir mehrere sentimentale Szenen: kurzum, sie improvisierte an diesem Tage einen ganzen Band Novellen aus dem modischen Leben, nur zu meiner Unterhaltung. Täglich machte sie mir neue Mitteilungen, wenn sie auch stets von demselben Thema handelten: von ihr, ihrer Liebe und ihrem Schmerz. Es war jedoch seltsam, dass sie niemals auch nur mit einer Silbe der schweren Krankheit ihrer Mutter und des fürchterlichen Todes ihres Bruders gedachte oder den augenblicklichen, traurigen Zustand der Familienangelegenheiten erwähnte. Ihr Gemüt schien sich nur mit der Erinnerung an entschwundenes Glück und der Hoffnung auf künftige Zerstreuungen zu beschäftigen. Jeden Tag brachte sie ungefähr fünf Minuten im Krankenzimmer ihrer Mutter zu, das war alles.
    Eliza sprach noch immer sehr wenig; augenscheinlich hatte sie keine Zeit für Unterhaltungen. Ich habe niemals eine geschäftigere Person gesehen als sie. Und doch wäre es schwer gewesen zu sagen, was sie eigentlich tat, oder vielmehr, irgendein Resultat ihrer Geschäftigkeit zu entdecken
    Sie hatte einen Wecker, die sie früh zum Aufstehen rief. Ich weiß nicht, womit sie sich vor dem Frühstück beschäftigte,nach demselben hatte sie ihre Zeit aber in regelmäßige Teile geteilt, und jede Stunde hatte die ihr zugeschriebene Arbeit. Dreimal am Tag studierte sie ein kleines Buch, welches sich nach einer genaueren Besichtigung meinerseits als gewöhnliches Gebetbuch erwies. Ich fragte sie einmal, worin die große Anziehungskraft dieses Buches für sie liege, und sie entgegnete mir: in der Liturgie. Drei Stunden widmete sie der Beschäftigung, mit Goldfäden den Rand eines viereckigen Tuches zu besticken, welches beinahe groß genug für einen Teppich gewesen wäre. Auf meine Frage nach der Verwendung dieses Gegenstandes sagte sie mir, dass es eine Altardecke für eine Kirche sei, welche vor kurzem in der Nähe von Gateshead erbaut worden war. Zwei Stunden widmete sie ihrem Tagebuch, zwei weitere arbeitete sie allein im Küchengarten, eine brauchte sie für die Regelung ihrer Rechnungen und Bücher. Sie schien keiner Gesellschaft, keines Verkehrs, keiner Unterhaltung zu bedürfen. Ich glaube, dass sie auf ihre Weise sehr glücklich war; diese Routine genügte ihr, und nichts verursachte ihr größeren Ärger, als wenn irgendein Umstand eintrat, welcher sie zwang, die pünktliche Regelmäßigkeit ihrer Arbeiten abzuändern.
    Eines Abends, als sie mehr zur Mitteilsamkeit geneigt war als gewöhnlich, sagte sie mir, dass Johns Verhalten und der drohende Ruin ihrer Familie eine Quelle tiefen und nagenden Kummers für sie gewesen seien, jetzt aber habe ihr Gemüt sich beruhigt und ihr Entschluss sei gefasst. Sie habe Sorge getragen, ihr eigenes Vermögen zu sichern, und wenn ihre Mutter stürbe – denn es sei durchaus unwahrscheinlich, dass sie jemals wieder genesen oder dass es noch lange mit ihr dauern könne, bemerkte sie sehr ruhig –, so würde sie einen lange gehegten Plan ausführen: dort Zuflucht suchen, wo pünktliche Gewohnheiten vor fortwährender Störung gesichert seien, und wo zwischen ihr und der gottlosen Welt eine mächtige Scheidewand aufgerichtet wäre. Ich fragte, ob Georgiana sie begleiten würde.
    Nein, natürlich nicht. Sie und Georgiana hätten nichts miteinander gemein, hätten auch niemals die gleichen Interessen verfolgt. Unter keinen Umständen würde sie sich die Last ihrer Gesellschaft auferlegen. Georgiana solle nur ihren eigenen Weg gehen – sie, Eliza, würde den ihrigen finden.
    Wenn Georgiana mir nicht gerade ihr Herz ausschüttete, so brachte sie fast ihre ganze Zeit auf dem Sofa zu, klagte und jammerte über die Düsterkeit des Hauses und wiederholte unaufhörlich den Wunsch, dass ihre Tante Gibson sie einladen möchte, mit ihr nach London zu kommen. »Es wäre so viel besser«,

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