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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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über das Bett lehne, und verlangte wiederum zu trinken. Als ich sie wieder niederlegte – denn während des Trinkens hatte ich sie aufgerichtet und mit meinem Arm gestützt – bedeckte ich ihre eisige, feuchte Hand mit der meinen. Ihre schwachen Finger zuckten unter meiner Berührung zusammen und ihre gläsernen Augen mieden meinen Blick.
    »Nun, wie Sie wollen, hassen Sie mich oder lieben Sie mich«, sagte ich endlich. »Sie haben meine volle Verzeihung, bitten Sie jetzt den allmächtigen Gott um seine Vergebung – und finden Sie Frieden.«
    Arme, leidende Frau! Jetzt war es zu spät für sie, jetzt konnte sie keine Anstrengung mehr unternehmen, um ihr Gemüt zu ändern: Während ihres ganzen Lebens hatte sie mich gehasst – und auch im Tode musste sie mich noch hassen.
    Die Wärterin traf ein, und Bessie folgte ihr. Ich verweilte noch eine halbe Stunde, immer auf ein Zeichen von Freundlichkeit und Vergebung hoffend, aber es war umsonst, sie sah mich nicht mehr. Sie sank mehr und mehr in die Bewusstlosigkeit hinab, die Besinnung kehrte nicht wieder. Um zwölf Uhr in jener Nacht starb sie.
    Ich war nicht da, um ihre Augen zuzudrücken, und auch ihre Töchter weilten nicht bei ihr. Am nächsten Morgen kamendie Wärterin und Bessie, um uns mitzuteilen, dass alles vorüber sei. Man hatte sie schon aufgebahrt. Eliza und ich gingen, um sie noch einmal zu sehen. Georgiana brach in lautes, krampfhaftes Weinen aus und sagte, sie habe nicht den Mut zu gehen. Da lag nun Sarah Reeds einstmals so kräftiger, lebensvoller Körper, starr und still. Die kalten Lider bedeckten die scharfen, erbarmungslosen Augen; die Stirn und die starren Züge trugen noch den Stempel ihrer unbeugsamen, unerbittlichen Seele. Dieser Leichnam hatte etwas Seltsames, Feierliches für mich. Mit Schauer und Kummer blickte ich auf ihn herab: Nichts Sanftes oder Friedliches rief er in mir hervor, weder Erbarmen noch Hoffnung; einzig einen wehen Kummer für
ihr
Leiden – nicht für
meinen
Verlust –, und eine finstertränenlose Bestürzung über ein solches Sterben.
    Eliza blickte ruhig auf ihre Mutter herab. Nach einigen Minuten des Schweigens bemerkte sie:
    »Mit ihrer Konstitution hätte sie ein schönes, hohes Alter erreichen können. Aber Kummer hat ihr Leben verkürzt.«
    Dann zog ihr Mund sich einen Augenblick krampfhaft zusammen. Aber nur für einen Augenblick. Gleich darauf wandte sie sich ab und ging zur Tür hinaus. Dasselbe tat ich. Keine von uns hatte eine Träne vergossen.

Zweiundzwanzigstes Kapitel
     
    Mr. Rochester hatte mir nur eine Woche Urlaub gegeben, aber es verfloss ein ganzer Monat, ehe ich Gateshead wieder verließ. Ich wollte unmittelbar nach dem Begräbnis abreisen, aber Georgiana flehte mich an zu bleiben, bis es ihr möglich sein würde, nach London abzureisen, wohin ihr Onkel, Mr. Gibson, sie nun endlich, endlich eingeladen hatte. Dieser war gekommen, um alle Anstalten für das Begräbnis seinerSchwester zu treffen und die Geldangelegenheiten der Familie zu ordnen. Georgiana sagte, sie fürchte sich, mit Eliza allein zu bleiben; von ihr hatte sie weder Sympathie in ihrer Trauer, noch Hilfe in ihrer Bedrängnis oder Unterstützung bei ihren Reisevorbereitungen zu erhoffen. Daher ertrug ich denn ihr kleinmütiges Jammern und ihre selbstsüchtigen Klagen, so gut ich konnte, und tat mein Bestes, indem ich für sie nähte und Wäsche und Kleider für sie einpackte. Es ist wahr, dass sie müßig umherging, während ich arbeitete, und gar oft dachte ich bei mir: ›Nun, Cousine, wenn wir beide verurteilt wären, miteinander zu leben, so würden wir die Sache bald anders anfassen. Ich würde mich nicht gutwillig dareinfinden, allein der arbeitende Teil zu sein; ich würde auch dir deinen Teil der Arbeit zukommen lassen und dich zwingen, ihn zu tun, wenn er nicht ungetan bleiben sollte. Und ich würde auch darauf bestehen, dass du einige dieser nur halb aufrichtig empfundenen, schleppenden Klagelieder in deine eigene Brust verschlössest. Nur weil unser Verkehr ein sehr vorübergehender ist und in eine sehr traurige Zeit fällt, finde ich mich darein, so geduldig und gutwillig dir gegenüber zu sein.‹
    Endlich kam der Augenblick für Georgianas Abreise, aber jetzt war die Reihe an Eliza, mich zu bitten, doch noch eine Woche zu bleiben. Sie sagte, dass ihre Pläne all ihre Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen würden, denn sie wäre im Begriff, an irgendeinen fremden Ort abzureisen. Während des ganzen Tages hielt sie sich

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