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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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um mir zu erzählen, dass der große Kastanienbaum am Ende des Gartens während der Nacht vom Blitz getroffen wurde und halb zerschmettert sei.

Vierundzwanzigstes Kapitel
     
    Während ich mich erhob und mich ankleidete, überdachte ich noch einmal alles, was geschehen war, und fragte mich verwundert, ob das Ganze nicht nur ein Traum gewesen sei. Ich konnte nicht an die Wirklichkeit glauben, bevor ich Mr. Rochester nicht wiedergesehen und ihn seine Liebesworte und sein Gelöbnis hatte erneuern hören.
    Während ich mein Haar zurechtmachte, betrachtete ich mein Gesicht im Spiegel und fand es gar nicht mehr unansehnlich: Es war hoffnungsfroh und von lebhafter Farbe. Meine Augen blickten, als hätten sie die Quelle der Erfüllung geschaut und ihren Glanz von deren spielenden Wellen geborgt. Ich hatte meinen Herrn oft nur widerstrebend angesehen, weil ich fürchtete, mein Blick könnte ihm unangenehm sein. Jetzt wusste ich aber, dass ich mein Gesicht zu dem seinen emporheben durfte, ohne dass sein Gefühl dadurch abkühlte. Ich nahm ein einfaches aber frisches, leichtes Sommerkleid aus meinem Schrank und legte es an. Mir war, als hätte kein Gewand mich jemals so gut gekleidet – ich hatte ja auch noch niemals eins in einer so glücklichen Stimmung getragen.
    Als ich in die Halle hinunterlief, war ich durchaus nicht erstaunt zu sehen, dass ein herrlicher Junimorgen auf den heftigen Sturm der Nacht gefolgt war. Ein frischer, duftiger Luftzug strömte mir durch die geöffnete Glastür entgegen: Die Natur musste ja fröhlich sein, wenn ich so unsagbar glücklich war! Eine Bettlerin und ihr kleiner Knabe – beide bleich, elend und zerlumpt – kamen den breiten Gartenweg herauf, und ich lief ihnen entgegen und gab ihnen die ganze Summe, welche ich gerade in meiner Geldbörse hatte; es waren wohl drei oder vier Schilling. Ob gut, ob böse, alle Menschen sollten an meiner Seligkeit teilhaben. Die Raben krächzten, die kleinen Vögel sangen, aber nichts war so lustig und so wohltönend wie die Musik meines eigenen Herzens.
    Mrs. Fairfax erstaunte mich, indem sie mit traurigem Gesicht zum Fenster hinaussah und in ernstem Ton sagte: »Miss Eyre, wollen Sie zum Frühstück hereinkommen?« Während der Mahlzeit war sie ruhig und kalt, aber der Augenblick war noch nicht gekommen, um ihr die beabsichtigte Aufklärung zu geben. Ich musste warten, bis mein Herr kam und ihr alles erklärte, und darauf musste auch sie warten. Ich aß, was ich konnte, und eilte dann nach oben.
    Ich traf Adèle, welche aus dem Schulzimmer kam.
    »Wohin gehst du? Es ist Zeit, mit dem Unterricht zu beginnen.«
    »Mr. Rochester hat mich ins Kinderzimmer geschickt.«
    »Wo ist er?«
    »Dort drin«, sagte sie, und zeigte auf das Zimmer, welches sie soeben verlassen hatte. Ich ging hinein und dort stand er.
    »Komm herein und sag mir guten Morgen«, sagte er. Fröhlich ging ich zu ihm. Es war jetzt kein kühles Wort und kein Händedruck mehr, was ich erhielt, sondern eine Umarmung und ein Kuss. Es schien mir ganz natürlich und zugleich ganz wunderbar, so umarmt und geliebt zu werden.
    »Jane, du siehst heute Morgen blühend aus, so fröhlich und wunderschön«, sagte er, »wirklich wunderschön. Ist dies meine bleiche, zarte kleine Elfe? Ist dies meine Glockenblume? Dies kleine, sonnige Mädchen mit Grübchen in den Wangen und rosigen Lippen? Mit dem seidenweichen, kastanienbraunen Haar und den strahlenden braunen Augen?« – Ich habe in Wirklichkeit grüne Augen, lieber Leser, aber du musst den Irrtum entschuldigen: Ihm erschienen sie wohl frisch gefärbt.
    »Es ist Jane Eyre, Sir.«
    »Und wird bald Jane Rochester sein«, fügte er hinzu, »in vier Wochen, Janet; nicht einen Tag länger. Hörst du das?«
    Ich hörte ihn wohl, aber ich konnte es nicht fassen. Es verursachte mir Schwindel. Das Gefühl, das durch dieseAnkündigung in mir geweckt wurde, war heftiger und überwältigender als Freude – es schmerzte und betäubte mich beinahe: Ich glaube, es war etwas wie Furcht.
    »Du warst eben noch rosig, Jane, und jetzt bist du bleich. Weshalb das?«
    »Weil Sie mir einen neuen Namen gaben – Jane Rochester, und das klang so seltsam.«
    »Ja, Mrs. Rochester«, sagte er, »die junge Mrs. Rochester – die mädchenhafte Braut Fairfax Rochesters.«
    »Es kann nicht sein, Sir, niemals! Es wird nicht sein, es klingt zu unwahrscheinlich. Auf dieser Welt wird keinem Erdenwesen ungetrübtes Glück zuteil. Ich bin ja nicht zu einem besseren Geschick geboren als

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