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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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mir immer nur durch Zurückweisungen gelohnt. Mir schnitt diese Beschuldigung, vor einem Fremden ausgesprochen, tief ins Herz. Ich erkannte, wie Mrs. Reed schon vorab jegliche Hoffnung aus der neuen Lebensphase, in welche ich einzutreten im Begriff war, verbannte. Ich fühlte, obgleich ich diese Empfindung nicht in Worte fassen konnte, dass sie bemüht war, Abneigung und Unfreundlichkeit auf meinen künftigenLebenspfad zu säen; ich fühlte förmlich, wie ich mich in Mr. Brocklehursts Augen in ein verschlagenes, eigensinniges Kind verwandelte. Aber was konnte ich gegen diese Ungerechtigkeit schon tun?
    ›Nichts, gar nichts!‹, dachte ich, ein Schluchzen unterdrückend und mir hastig ein paar Tränen abtrocknend – ohnmächtige Zeugen meines Leids.
    »Verstellung ist in der Tat ein trauriger Charakterfehler bei einem Kind«, sagte Mr. Brocklehurst, »ein Fehler, welcher mit Falschheit und Lüge einhergeht, und alle Lügner werden ihren Anteil bekommen an dem See, in welchem Pech und Schwefel brennen. Wir werden das Mädchen sorgsam im Auge behalten, Mrs. Reed. Ich werde mit Miss Temple und den Lehrerinnen sprechen.«
    »Ich wünsche, dass sie in einer Weise erzogen wird, welche mit ihren Lebensaussichten übereinstimmt«, fuhr meine Wohltäterin fort. »Sie soll sich nützlich machen und demütig bleiben und auch die Ferien soll sie stets, mit Ihrer Erlaubnis, in Lowood verbringen.«
    »Ihre Bestimmungen, Madam, sind durchaus vernünftig«, entgegnete Mr. Brocklehurst. »Die Demut ist ein Schmuck der Christen und einer, der ganz besonders für die Schülerinnen von Lowood passend ist. Ich gebe daher die Weisung, dass ihrer Pflege eine besondere Sorgfalt gewidmet wird. Ich habe ein Studium darauf verwendet, zu ergründen, wie das weltliche Gefühl des Stolzes und des Hochmuts am besten in ihnen zu ersticken ist. Und vor wenigen Tagen erst hatte ich eine angenehme Probe meiner Erfolge: Meine zweite Tochter, Augusta, hatte mit ihrer Mama die Schule besucht, und bei ihrer Rückkehr rief sie aus: ›Oh, mein teurer Papa, wie unscheinbar und einfach all die Mädchen in Lowood aussehen! Mit ihrem Haar, das glatt hinter die Ohren gestrichen ist, und ihren langen Schürzen und den kleinen Taschen, welche sie über ihren Kleidern tragen – sie sehen beinahe aus wie die Kinder armer Leute! Und‹,fuhr sie fort, ›sie starrten Mamas und mein Kleid an, als ob sie in ihrem ganzen Leben noch kein seidenes Kleid gesehen hätten.‹«
    »Eine solche Einrichtung und deren Ziele hat meinen ungeteilten Beifall«, erwiderte Mrs. Reed. »Wenn ich auch ganz England durchsuchen würde, so würde ich sicher keine bessere Schule finden können für ein Kind, wie Jane Eyre es ist. Konsequenz und Festigkeit, mein lieber Mr. Brocklehurst, ich befürworte Konsequenz in allen Dingen!«
    »Konsequenz, Madam, ist die erste der christlichen Pflichten, und sie wird in Lowood bei jeder Maßnahme zuvörderst berücksichtigt: Einfache Kost, einfache Kleidung, einfache Einrichtungen, fleißige Gewohnheiten – das ist die Tagesordnung für das Haus und seine Bewohnerinnen.«
    »Sehr richtig, Sir. Ich kann mich also darauf verlassen, dass dieses Kind als Schülerin in Lowood aufgenommen und dort entsprechend ihrer Stellung und Lebensaussichten erzogen wird?«
    »Ja, Madam, das können Sie. Sie soll an jene Pflegestätte auserlesener Pflanzen versetzt werden. Und ich hoffe, dass sie sich dankbar zeigen wird für das unschätzbare Privileg, welches ihr dadurch zuteil wird.«
    »Ich werde sie Ihnen sobald wie möglich schicken, Mr. Brocklehurst, denn ich versichere Ihnen, ich hege das innigste Verlangen, so schnell wie irgend möglich von einer Verantwortung befreit zu werden, welche mir lästig geworden ist.«
    »Ohne Zweifel, Madam, ohne Zweifel. Und jetzt will ich Ihnen einen guten Tag wünschen. In ungefähr zwei bis drei Wochen werde ich nach Brocklehurst Hall zurückkehren; mein guter Freund, der Erzdiakon, wird mir kaum erlauben, ihn früher zu verlassen. Übrigens werde ich Miss Temple ankündigen, dass sie ein neues Mädchen zu erwarten hat, damit bei ihrem Eintritt keine Schwierigkeiten entstehen. Leben Sie wohl!«
    »Leben Sie wohl, Mr. Brocklehurst, und empfehlen Sie mich Mrs. und Miss Brocklehurst, Augusta und Theodore sowie Master Broughton Brocklehurst!«
    »Das werde ich tun, Madam. – Mein kleines Mädchen, hier ist ein Buch mit dem Titel: ›Des Kindes Wegweiser‹. Lesen Sie es mit Andacht, besonders jenen Teil, welcher von dem

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