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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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Nacht unter diesem Dach aus; und dann fort mit all seinem Elend und Schrecken für alle Zeiten! Ich weiß einen Ort, an den wir uns begeben können, der ein sicheres Heiligtum, ein fester Schutz gegen verhasste Erinnerungen ist und der uns vor unwillkommenen Besuchern schützt – sogar vor Lüge und Beschimpfung.«
    »Und nehmen Sie Adèle mit, Sir«, unterbrach ich ihn, »sie wird Ihnen eine Gefährtin sein.«
    »Was willst du damit sagen, Jane? Ich habe dir doch mitgeteilt, dass ich Adèle zur Schule schicken will. Wozu bedarf ich eines Kindes als Gefährtin? Sie ist ja nicht einmal mein eigenes Kind, sondern der Bastard einer französischen Tänzerin. Weshalb behelligst du mich mit ihr? Oder anders: Warum teilst du mir Adèle als Gefährtin zu?«
    »Sie sprachen von Einsamkeit, Sir, und Einsamkeit ist traurig – zu traurig für Sie.«
    »Einsamkeit, Einsamkeit!«, wiederholte er ärgerlich. »Ichsehe schon, ich muss deutlicher werden. Was bedeutet dieser sphinxartige Ausdruck auf deinem Gesicht?
Du
sollst meine Einsamkeit teilen, verstehst du mich?«
    Ich schüttelte den Kopf. Es erforderte einen gewissen Grad von Mut, ihm auch nur dieses stumme Zeichen der Weigerung zu geben – aufgeregt, wie er war. Er war schnell im Zimmer auf- und abgegangen, und plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Er blickte mich an, lange und scharf. Ich wandte die Augen von ihm ab und auf das Feuer und versuchte, mir ein ruhiges, gefasstes Äußeres zu geben und zu erhalten.
    »Da haben wir den Haken in Janes Charakter«, sagte er endlich. Er sprach ruhiger, als ich nach seinen Blicken befürchtet hatte. »Die Seidenspule hat sich bis hierher ruhig und ungehindert gedreht, aber ich wusste stets, dass der Knoten kommen würde. Hier ist er. Und jetzt kommen Ärger, Verzweiflung und endloser Kummer! Bei Gott, wie gerne hätte ich nur etwas von Samsons Kraft, um all die Verwirrung wie Werg zu zerreißen!«
    Er begann seinen Weg von Neuem, aber bald hielt er wieder inne, jetzt gerade vor mir.
    »Jane, willst du Vernunft annehmen?« Er beugte sich zu mir herab und näherte seine Lippen meinem Ohr. »Denn wenn du es nicht tust, werde ich Gewalt brauchen.« Seine Stimme war heiser, sein Blick war der eines Mannes, der gerade im Begriff ist, eine unerträgliche Fessel zu sprengen und sich Hals über Kopf in wilde Zügellosigkeit zu stürzen. Ich erkannte dies augenblicklich: Der kleinste Anstoß würde genügen, und ich würde nicht mehr imstande sein, auch nur noch das Geringste mit ihm anzufangen. Die gegenwärtige, die vorübergehende Sekunde war alles, was mir gehörte; nur jetzt noch konnte ich ihn beherrschen und zurückhalten. Wenn ich eine Bewegung des Abscheus, der Furcht zeigte, so wäre mein Schicksal besiegelt gewesen – und das seine. Aber ich fürchtete mich nicht, nicht einenAugenblick. Ich spürte eine innere Kraft, die mich aufrecht hielt. Die Situation war gefährlich, aber sie hatte auch ihren Reiz. Einen Reiz, wie ihn vielleicht der Wilde empfindet, wenn er in seinem Kanu über die Stromschnellen dahinsaust. Ich fasste seine geballte Hand, löste die zuckenden Finger und sagte sanft und beruhigend:
    »Setzen Sie sich. Ich will mit Ihnen reden, solange Sie wollen. Ich will alles anhören, was Sie zu sagen haben, ob es nun vernünftig oder unvernünftig ist.«
    Er setzte sich, aber er kam noch nicht gleich zum Reden. Ich hatte schon lange mit den Tränen gekämpft, hatte mir die größte Mühe gegeben, sie zu unterdrücken, weil ich wusste, dass er mich nicht weinen sehen mochte. Jetzt indessen hielt ich es für besser, ihnen freien Lauf zu lassen, solange sie wollten. Wenn diese Tränenflut ihn bekümmerte – umso besser. Ich gab also rasch nach und weinte bitterlich.
    Bald hörte ich, wie er mich ernstlich bat, mich zu fassen. Ich entgegnete, dass ich es nicht könne, solange er so zornig sei.
    »Aber ich bin nicht zornig, Jane. Ich liebe dich nur zu sehr – das ist alles. Und du hattest dein kleines, blasses Gesicht mit einem so kalten, entschlossenen Blick gestählt, dass ich es nicht ertragen konnte. Sei jetzt still und trockne deine Augen.«
    Seine weiche Stimme verkündete mir, dass er besiegt sei, daher wurde auch ich nun ruhig. Jetzt machte er den Versuch, seinen Kopf an meine Schulter zu lehnen, aber ich wollte es nicht erlauben. Dann wollte er mich an sich ziehen – auch das gestattete ich nicht.
    »Jane! Jane!«, sagte er mit einem Ausdruck so bitterer Traurigkeit, dass jeder Nerv in mir erbebte. »Liebst

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